ModeratorIn: derStandard.at begrüßt Niki Kowall von der Sektion 8 im Chat zum Thema Glücksspiel. Wir bitten die UserInnen um Fragen.

Niki Kowall: Hallo an die derStandard.at-Community.

Fini: Handelt es sich vielleicht um einen Pyrrhussieg? Der Bund kann, wenn kein eigenes Landesgesetz geschaffen wird, die Materie regeln und dann gibt es die Automaten weiterhin.

Niki Kowall: Das ist aus meiner Sicht formalrechtlich möglich aber politisch undurchsetzbar, zumindest solange die SPÖ in der Bundesregierung vertreten ist und bekanntlich hat die Wiener SPÖ in der Bundespartei ein Wörtchen mitzureden.

seqastian: Bei einem Komplettverbot ist davon auszugehen dass ein Teil des spielen ins Internet abwandert. Wie sehen sie die Chancen ein den Internet-Spielern/Spielsuchtigen beratend zur Seite zu stehen?

Niki Kowall: Wir wissen, dass der EuGH Beschränkungen im Onlinebereich für zulässig hält. Auf unserer Webseite der Sektion 8 www.sektionacht.at findet sich auch ein entsprechendes Gutachten dazu.

CrangerMan: Experten sagen, die Zahl der Süchtigen bleibt immer erhalten. Müssen wir uns jetzt mit Alkohol- oder Drogensüchtigen "herumschlagen"?

Niki Kowall: Wir sind der Meinung, dass in diesem Fall erst das Angebot die Nachfrage schafft. Vor 10 Jahren gab es ja auch keine Automatenflut in Österreich. Ganz wegbekommen wird man die Automaten in einer freien Gesellschaft nie, aber eine drastische Reduktion halten wir für umsetzbar.

80f0368c-8e35-4a69-a531-0cad360085bf: was entgegner sie den zahlreichen Stimmen die Sie als schon jetzt als den jungen Cap bezeichnen?

Niki Kowall: Die Zukunft ist ungewiss und auch ich halte mich nicht für völlig gefeit vor einem Schicksal à la Cap. Ich lege Wert darauf zu betonen, dass unsere Strategie eine völlig andere ist. Wir versuchen keine Posten zu besetzen, sondern als sozialdemokratische NGO innerparteilich Themen zu setzen.

DrBelacqua: Warum bist du eigentlich noch bei der SPÖ, wenn du so unzufrieden mit ihr bist? Es gibt ja auch noch andere Parteien und die SPÖ hat wahrlich keinen Selbstzweck (die muss man also auch nicht reformieren, v.a. da sie ja doch recht erfolgreich ist).

Niki Kowall: Die Sozialdemokratie ist historisch und bezüglich ihrer Grundwerte die politische Bewegeung die mich am meisten fasziniert. Ich kann mich auch mit dem Konzept der Allianz zwischen Intellektuellen und arbeitenden Menschen stark identifizieren. Ich will mir die attraktive sozialdemokratische Idee nicht von zynischen BürokratInnen wegnehmen lassen. Viele Leute, wie auch meine Freunde und ich, kämpfen aktiv innerhalb der SPÖ für eine Orientierung an den sozialdemokratischen Grundwerten.

Karl Heinz Strasser: Was spricht gegen den SPÖ-Austritt und die Gründung einer linken Partei? Als linksdenkender Mensch hat man zzt ja nur die Wahl zwischen dem geringeren Übel.

Niki Kowall: Wenn es nicht gelingt die SPÖ für eine progressive Politik zu gewinnen, wird es in Österreich niemals Mehrheiten jenseits der Konservativen geben. Die SPÖ ist nicht alles, aber ohne die SPÖ ist alles nichts.

CrangerMan: Ich schätze, Sie bevorzugen Rot-Grün? Glauben Sie, dass das in Österreich sonst wo noch möglich wird? Evtl. im Bund?

Niki Kowall: Halte ich für möglich, wenn die SPÖ offensiv um ihre historischen Kernwählergruppen kämpft. Schon 2013.

Karl Heinz Strasser: Wie stehen ihre Parteikollegen aus den anderen Bundesländern zur Abschaffung? Zustimmung/Ablehnung/Skepsis?

Niki Kowall: Völlig unterschiedlich. In manchen Ländern ist das kleine Glückspiel verboten, wie in Salzburg. Wir hoffen, dass von Wien eine Signalwirkung ausgeht.

Mina Vand: Hat die für das Kleine Glücksspiel zuständige Umweltstadträtin Ulli Sima Sie zu einem Gespräch eingeladen?

Niki Kowall: Nein.

rigalomania: Das Kleine Glückspiel hat die Sektion bekannt gemacht, für welche Themen steht ihr eigentlich noch, und was liegt dir persönlich am Herzen?

Niki Kowall: Mein Kernanliegen ist, die Durchdringung der Gesellschaft mit der neoliberalen Wettbewerbsdoktrin - von der individuellen Ebene bis zum Standardwettbewerb zwischen den Staaten - zu durchbrechen.

Vormund: Wie hilft man Süchtigen, denen das Verbot dienen soll, die sich aber gerade davon nicht abhalten lassen werden zu spielen und dies fortan illegal tun werden?

Niki Kowall: Einen Automaten kann man nicht in der Unterhose schmuggeln, dafür braucht man einen Kleinlastwagen. Auf die wenigen in Hinterzimmern verbleibenden Automaten und die dort süchtigen SpielerInnen kann man die gesamten derzeit verwendeten Ressourcen für Suchtprävention und Bertung verwenden.

Fritz van Thom: Sie sagen Sie seien der Meinung, dass in diesem Fall erst das Angebot die Nachfrage schafft. Inwiefern denken Sie, dass dies auch auf andere Suchtmittel zutrifft? z.B. Alkohol, Nikotin, etc.

Niki Kowall: Bei Drogen würde ich eher dazu neigen von einem prinzipiellen Rauschbedürfnis auszugehen. Ob dieses angeboren oder historisch gewachsen ist, kann ich nicht beurteilen. Ich weiß nur eins: Ich will den Automaten keine Chance geben historisch zu wachsen.

CrangerMan: Wer sind Ihre Vorbilder?

Niki Kowall: Sozialdemokratische TheoretikerInnen und keynesianische WirtschaftswissenschaftlerInnen, die seit Jahrzehnten tot sind und deren Namen nicht sehr bekannt sind.

Martin Reichard: Sorry, daß meine Frage ein bißchen auf eine allgemeinere Ebebe abziehlt: Ihre Rede zum kleinen Glückspiel war eine Wucht & ein gutes Bsp., wie engagierte "Politik von unten" & von jüngeren Politikern konkret erfolgreich sein kann. Dennoch wa

Niki Kowall: Parteien sind im Gegensatz zu NGOs unsexy, weil sie dazu tendieren sich hermetisch abzuriegeln und eine Ochsentour notwendig ist bis das politische Engagement Früchte trägt. Parteien müssen in die Lage versetzt werden, politisch interessierte Menschen unmittelbar und spontan Betätigungsfelder und Mitbestimmungsmöglichkeiten zu bieten.

CrangerMan: Ist die SPÖ momentan nur eine Partei der Überschriften? Fehlt die Fachkompetenz?

Niki Kowall: Es gibt in der SPÖ und vor allem in ihrem Umfeld (Kammern, Unis, staatliche Institutionen) viel mehr Fachkompetenz als man nach außenhin den Eindruck hat. Wichtig wäre, dass es in der SPÖ mehr um Themen und weniger um Taktik geht, dann würde dieses Fachwissen auch stärker sichtbar werden.

jan rus: Sehr geehrter Herr Kowall, können sie sich ein österreich ohne bundesheer vorstellen? Die Gewaltenteilung erfolgt mit zwei zuständigen Minister, einer für Polizei, die andere für gendarmerie. Zivildiienst bleibt pflicht, und zwar für alle. Österreic

Niki Kowall: In meiner Vision gibt es eine europäische Außen- und Verteidigungspolitik mit einer kleinen professionellen Euro-Armee, in der Österreich entprechend seiner Bevölkerungsgröße ein Kontingent stellt.

ebene600: Liste Niki Kowall? Wie sieht's aus? Es wird Zeit für eine neue Partei...

Niki Kowall: Wenn wir die Sozialdemokratie nicht für progressive Politik gewinnen können, haben wir gar keinen Handlungsspielraum. Das Glücksspiel zeigt doch, dass eine demokratische Lebendigkeit in der SPÖ vorhanden ist. Es gibt viele kritische Initiativen abseits der Sektion 8. Ich lade alle Interessierten ein mit diesen und uns für eine bessere Sozialdemokratie zu kämpfen.

alter ohm: was halten sie von dem vorschlag der grünen zigarettenautomaten zu verbieten?

Niki Kowall: Nichts. Obwohl ich derzeit nicht rauche.

angelie: Wieso glaubst du, dass innerhalb und mit DIESER SPÖ eine progressive Politik möglich ist? In relevante Positionen kommen ja nur die Sesselkleber_innen, alle "guten" wenden sich entnervt und enttäuscht ab von der Partei - kommt mir vor.

Niki Kowall: Ich bin seit 1999 in der Sozialdemokratie aktiv. Vor allem in meiner Generation gibt es eine Armada an verdammt guten Leuten, die auch das Herz am politisch richtigen Fleck haben. Die meisten von ihnen sind noch nicht sichtbar, aber nehmen Sie Barbara Blaha, meine MitstreiterInnen, oder mich als Exempel für viele die aufrichtige Anliegen haben.

krixikraxi: Was unterscheidet die Sektion Acht von den Grünen?

Niki Kowall: Unser Fokus ist darauf gerichtet, die Situation der Unterpriviligierten in der Gesellschaft und deren Chancen und Möglichkeiten drastisch zu verbessern. Ebenso wichtig ist uns, dass die Marktresultate (z.B. bei den Einkommen) nicht als natürlich und gerecht betrachtet werden, sondern dass normative Eingriffe in alle Marktergebnisse völlig legitim sind, vor allem im Interesse jener die es nicht so gut haben. Wir sind also SozialdemokratInnen aus dem Bilderbuch und können uns mit den Grünen - bei aller Sympathie - per se nicht identifizieren.

Hans Wurst 162: Würden Sie sich als liberalen Menschen bezeichnen? Wo hört bei Ihnen die (Entscheidungs-)Freiheit des Menschen auf?

Niki Kowall: Als Demokrat, Anhänger des Rechtsstaats und des Parlamentarismus sowie als großer Freund der bürgerlichen Freiheiten betrachte ich mich als Sozialdemokrat, als am linken Rand des großen liberalen Spektrums stehend. Zur Frage 2: Mit Kant: dort wo sie jene des anderen einschränkt.

Pauliii: Wie steht die Sektion 8 zum ganz großen Glückspiel, den Börsen? Sind weitere Regulierungen an den Finanzmärkten sinnvoll und wenn ja, machbar?

Niki Kowall: Das Regime des finanzialisierten Kapitalismus halte ich für die größte Bedrohung des Wohlstandes und des sozialen Friedens seit 1945. Ich stehe für eine stark regulierte ökosoziale Marktwirtschaft in der die Interessen des Finanzkapitals ruhig gestellt sind. Auf europäischer Ebene halte ich einen solchen Regimewechsel für umsetzbar. Also Ja und Ja :-)

G. Schuller: Guten Tag. Ist in der Zwischenzeit der Versuch der Beeiflussung durch Lobbyisten erfolgt oder wurden Sie bedrängt / bedroht? Bei diesen Kontrahenten ist dieses Szenario für mich nicht unvorstellbar.

Niki Kowall: Bis dato noch keine tote Katze vor meiner Haustür :-)

slick as a cat: Wie steht es mit Sportwetten (offline/online)?

Niki Kowall: Der SPÖ-Abgeordnete Jacky Maier ist dabei sich die Sportwetten vorzuknöpfen und kann mit unserer Unterstützung rechnen.

gobo: auf der website der sektion 8 findet sich der eintrag zu einer diskussionsveranstaltung mit dem titel: "Ist die SPÖ veränderbar, wie ist sie veränderbar?" wie ist deine einschätzung dazu? wie schaut eure strategie dazu aus?

Niki Kowall: Kurz: wir wollen die Wand zwischen der Zivilgesellschaft und der Sozialdemokratie einreißen und als sozialdemokratische NGO gezielt innerparteiliche Themen vorantreiben. Auf unserer Webseite findet sich ein mehrseitiges Strategiepapier, wo Details zu entnehmen sind.

rothbard: Wie ist Ihre Meinung zu den Casinos Austria? Es wird immer so getan, hier die bösen priavten Anbieter, hier der gute Monopolist. Dabei machen genau die die aggrestivste Werbung.

Niki Kowall: Die Werbung geht mir auch schon auf die Nerven. Außerdem sind die Casinos nur zu einem Drittel in Staatsbesitz. Allerdings macht das Automatenspiel deutlich süchtiger als ein Lottoschein, weshalb wir keine konkreten Forderungen in diesem Bereich haben.

hosenwurm: Bekommt die Sektion 8 Druck aus der Wirtschaft zu spüren, oder, anders formuliert: kommen "unmoralische Angebote"?

Niki Kowall: Nein, andernfalls wäre ich auf den Malediven und würde nicht mit Ihnen chatten :-)

Nina Abrahamczik: Wenn Sie von der Wiener SPÖ das Angebot erhalten würden, ein Gemeinderatsmandat zu übernehmen - würden Sie das annehmen?

Niki Kowall: Ich würde von oben keine Mandate annehmen.

xEurocent: Sollte morgen früh Bürgermeister Häupl anrufen und ihnen einen Stadtratsposten anbie ten, würden sie annehmen

Niki Kowall: Ich muss einmal meine Diss schreiben, ich hab' überhaupt keine Pläne oder Ambitionen irgendwas zu übernehmen, außer meiner derzeitigen ehrenamtlichen Tätigkeit. Also, Nein.

Stef Hoche: wieso fällt es der SPÖ so schwer, der FPÖ den Wind aus den Segeln zu nehmen?

Niki Kowall: Die FPÖ hat es geschafft in den letzten 20 Jahren eine Sicherheits- und Ausländer-Pranoia-Blase ohne realen Kern aufzublähen. Die SPÖ muss diese Blase platzen lassen und die relevanten Themen Bildung, Gesundheit, Verteilungsgerechtigkeit, Geschlechtergerechtigkeit und Arbeit kompromisslos im Sinne der ArbeitnehmerInnen kampagnisieren. Das ist die Strategie von der ich hoffe, dass sie die FPÖ auf das zurückwirft, was sie eigentlich ist: ein paar zigtausend Hasszerfressene, die keine 6 % bei Wahlen bekommen.

Graf Robert von Donnerstag-Dachsenstein: Wird der Antrag auf Abschaffung des kleinen Glücksspieles auch am bundesparteitag gestellt

Niki Kowall: Das werden wir in unserer Bezirkspartei, der SPÖ-Alsergrund (die übrigens wie ein Fels in der Brandung trotz rauhem Gegenwind zum Verbot gestanden ist) in den kommenden Wochen abklären.

mmh: Dominieren die Pelinkas und Rudass oder dien Kowalls die junge SPÖ?

Niki Kowall: Aus meiner Sicht sind die Leute denen es politisch wirklich um etwas geht in meiner Generation (ich bin 29) in der klaren Mehrheit. Sie sind nur nicht sichtbar, weil jene es nach oben schaffen, die für das Establishment nicht unbequem sind.

ElMagico78: Viktor Klima, Alfred Gusenbauer, Werner Faymann - wer ist ihrer Meinung nach der "Beste" und warum?

Niki Kowall: Unter Faymann haben wir die Stiftungsbesteuerung verschärft, die Aktien-Kest eingeführt, die Bankenabgabe erreicht, die Mindestsicherung bekommen und in der Krise eine klare antizyklische Konjunkturpolitik gesehen. Ich wünsche mir viel mehr, aber das ist nicht nichts. Die anderen hatten überhaupt nichts zu bieten.

jimmyja: Wo sehen Sie auf Bundesebene den dringendsten Handlungsbedarf? Oder anderst gefragt, wo muss sich ihrer Meinung nach die SPÖ-Bundespartei stärker oder anders positionieren?

Niki Kowall: Die SPÖ muss sich trauen, für eine menschliche Asylpolitik einzutreten. Unsere Linie war in dieser Frage in den letzten Jahren eine Schande. Außerdem würde ich mir eine konsistente und seriöse Steuerpolitik abseits von Schlagworten mit Belastung des Faktors Kapital und Entlastung des Faktors Arbeit, wünschen.

thechief: wie kann man sich bei euch engagieren?

Niki Kowall: Geh auf www.sektionacht.at und klicke im Menü links auf Mitmachen und Mitgliedschaft. Bzw. such Sektion Acht auf Facebook.

oppa1: In Großbritannien sind im Vorjahr innerhalb weniger Monate 40.000 Menschen in die Labour Party eingetreten. Der Grund: Der Parteivorsitzende wurde basisdemokratisch gewählt. Wieso macht das die SPÖ nicht auch so?

Niki Kowall: Verdammt, das frage ich mich auch.

ModeratorIn: derStandard.at bedankt sich bei Niki Kowall und den UserInnen. Auf Grund der vielen Fragen konnten leider nicht alle beantwortet werden. Schönen Tag noch.

Niki Kowall: Vielen Dank für die breite Themenpalette und interessanten Fragestellungen. Hat echt Spaß gemacht :-)