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Geldflüsse? Chirac, der Staatschef von Burkina Faso, Blaise Compaoré (li.) und der verstorbene Präsident von Gabun, Omar Bongo. 

Foto: AP/Cironneau

Das behaupten Mittelsmänner, die die Koffer selbst überbracht haben wollen.

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Die Angaben sind klar, präzis und explosiv. Gemäß dem Anwalt und Afrikaberater Robert Bourgi haben alle Präsidenten der Fünften Republik seit Georges Pompidou Koffer voller Bargeld von afrikanischen Präsidenten erhalten. Sie finanzierten damit ihre Wahlkämpfe in Frankreich und gewährten den Potentaten in Exkolonien im Gegenzug den Schutz der französischen Armee, die in Staaten wie Senegal oder Elfenbeinküste Militärbasen unterhält.

Bourgi ist nicht irgendwer: Der 66-jährige Franko-Libanese arbeitet seit Jahrzehnten im Dunstkreis der "Françafrique", jener obskuren Kanäle und Netzwerke, die in Westafrika ab den Sechzigerjahren an die Stelle des französischen Kolonialreiches getreten waren. Wie Bourgi am Montag gegenüber der Radiostation Europe 1 erklärte, überbrachte er zwischen 1995 und 2005 eigenhändig Bargeld "im Gegenwert von 20 Millionen Dollar" an den damaligen Präsidenten Jacques Chirac und dessen rechte Hand Dominique de Villepin - Letzterem unter dem Codenamen "Mamadou". Spendabel sei vor allem der heute verstorbene Präsident Gabuns, Omar Bongo, gewesen. "Die französischen Wahlen rücken näher, mein Sohn", habe er zu Bourgi jeweils gesagt und ihm einen Koffer voll Geldnoten ausgehändigt. Sie seien für das Elysée bestimmt gewesen.

In Frankreich sind solche Vorwürfe nicht ganz neu: Es ist ein offenes Geheimnis, dass die französische Entwicklungshilfe öfters als "rétrocessions" nach Paris zurückfloss und dort Wahlkampagnen finanzierte. Noch nie machte aber eine so zentrale Figur wie Bourgi so genaue Angaben. Beweise hat er nicht: Von diesen Praktiken gebe es naturgemäß "keine Spuren", meinte der Anwalt. "Aber die ganze politische Klasse Frankreichs war im Bild."

Wahlfinanzierungsgesetz

Bourgi spricht in der Vergangenheitsform: Seit 2005 würden keine Geldköfferchen mehr aus afrikanischen Hauptstädten nach Paris gelangen. Villepin habe damit 2005 selbst aufgehört, nachdem das Wahlfinanzierungsgesetz geändert habe. An Nicolas Sarkozy will Bourgi selbst nie solche Koffer ausgehändigt haben.

Diese Darstellung wird allerdings bestritten. In einem neuen Buch des Enthüllungsjournalisten Pierre Péan erklärt der frühere Ex-Afrikaberater Chiracs, Michel de Bonnecorse, Bourgi habe nach 2005 auch dem damaligen Innenminister und Präsidentschaftskandidaten Sarkozy einen "dicken" Koffer überbracht.

Ein weiterer gewichtiger Chirac-Berater, Jean-François Probst, erklärte am Montag ebenfalls, unter Sarkozy habe "nichts aufgehört"; der aktuelle Präsident habe von Bongo nach seiner Wahl 2007 "eine Milliarde CFA" - umgerechnet 1,5 Millionen Euro - erhalten. Wenn Bourgi behaupte, diese Praktiken seien unter Sarkozy eingestellt worden, sei das "die größte Lüge seines Lebens", fügte Probst an.

Die Pariser Medien gingen bisher ohne Einschränkung davon aus, dass Bourgi der wichtigste "offiziöse" Afrikaberater Sarkozys sei. Er soll zum Beispiel 2008 bewirkt haben, dass das Elysée den Entwicklungshilfeminister Jean-Marie Bockel entließ, weil dieser mit dem ganzen Filz der Françafrique aufräumen wollte. Gestern Montag bestritt Bourgi rundweg, dass er "in welcher Form auch immer" für Sarkozy tätig sei.

Wie Chirac hat Villepin umgehend angekündigt, er werde Bourgi wegen Verleumdung gerichtlich vorgehen. Die Linksopposition in Paris verlangt eine offizielle Untersuchung.

Warum Bourgi gerade jetzt an die Öffentlichkeit geht, vermag er selbst nicht genau anzugeben; er bezeichnete sich nur als "reumütig". (Stefan Brändle aus Paris/DER STANDARD, Printausgabe, 13.9.2011)