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Nun stimmt also auch das Zeit-Magazin in den Chor ein. Aber Hans-Erich Dechant wundert das nicht: "Ach, diesmal steht das also dort?", fragt der Chef des Wiener Citybike-Projekts - und klingt fast amüsiert.

"Das" ist ein Klassiker in Berichten über De-facto-gratisLeihradsysteme. "Das" ist, scheint es, unvermeidlich. Der Beweis dafür, was passiert, wenn Journalisten voneinander abschreiben - im blinden Vertrauen den Kollegen und deren Recherche gegenüber.

Gegen so etwas, hat Dechant akzeptiert, sind Fakten chancenlos: Auch wenn er belegen kann, dass Wien die Mutter aller Gratisleihradsysteme ist - die Medien werden weiter behaupten, dass Idee und Umsetzung aus Frankreich - genauer: Paris - stammen.

Dabei rollt man an der Seine erst seit 2007 so, wie es in Wien seit 2003 tut. Und innerhalb Frankreichs war Lyon früher dran als Paris: 2005 nämlich. "Und Wien", betont Dechant, "war dafür die Vorlage." Daran ändert auch nichts, dass die Gewista, Wiens Plakatmonopolist und Citybike-Betreiber, in französischer Hand ist - und der französische Mutterkonzern auch Frankreichs Leihräder installierte.

Die Idee zum öffentlichen Rad, räumt Dechant ein, ist aber älter. Sie stammt aus dem Amsterdam der 1960er-Jahre. Und genau genommen, präzisiert der Wiener Leihradler, war Wien schon vor 2003 Leihradstadt: 2002 gab es die "Viennabikes". Sie scheiterten, weil zu viele Wiener zwar "gratis", aber nicht "leih-" verstanden: "Die Viennabikes waren dennoch wichtig: Sie bewiesen, dass die Zeit reif war."

Nebenbei: Der Ursprung ist nicht der einzige "Bock" in der Leihradwahrnehmung: "Es heißt stets, Paris habe das größte Netz. Bloß: Soweit wir wissen, schlägt die chinesische Stadt Hangzhou Paris längst." (Thomas Rottenberg/DER STANDARD/Automobil/09.09.2011)