"Politik hat zu wenig Respekt vor Justiz": Mayer

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Die Justiz sei "krank", sagt Heinz Mayer: Der Wiener Verfassungsrechts-Professor fällt ein hartes Urteil über den Zustand des Rechtswesens in Österreich. Die dritte Säule des Staats sei brüchig, und schuld daran sei die Politik, so Mayer. Unfähige JustizministerInnen, viel zu wenig Geld für den Justizapparat und eine Staatsanwaltschaft "am Gängelband der Politik" würden die Justiz in Österreich zugrunde richten. In Kombination mit einer Öffentlichkeit, die "mit den Schultern zuckt" und Medien, "die immer weniger Zeit für Recherche haben" werde dies zur ernsthaften Bedrohung der Demokratie.

MinisterInnen "fehlbesetzt"

Die JustizministerInnen der letzten zehn Jahre seien mit zwei Ausnahmen - Karin Gastinger und Maria Berger - "eine Reihe von Fehlbesetzungen" gewesen, "und der Höhepunkt war Claudia Bandion-Ortner", so Mayer in einer Veranstaltung der PR-Agentur Ecker & Partner. Auch die amtierende Justizministerin Beatrix Karl lasse Reformwillen vermissen, wenn es um die Abhängigkeit der StaatsanwältInnen geht: "Mir hat noch niemand erklären können, warum ein Politiker entscheiden soll, wer gerichtlich verfolgt wird", so Mayer in Bezug auf die Weisungsgebundenheit der StaatsanwältInnen. Von der mehrmals geäußerten Beteuerung Karls, JustizministerInnen würden von ihrem Recht, Weisungen zu erteilen, ohnehin nie Gebrauch machen, zeigt sich Mayer unbeeindruckt: „Das brauchen sie auch nicht." Es reiche schon, wenn "ein Kabinettsmitarbeiter der Ministerin bei der Oberstaatsanwaltschaft anruft und sagt: "Schaut's euch dieses Verfahren genau an, das ist heikel‘ - und der weiß dann, was er zu tun hat", so Mayer - nämlich den Akt für einige Zeit unberührt zu lassen.

Dem Professor am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht am Wiener Juridicum schwebt die Einrichtung eines "Bundes-Staatsanwalts" vor, der vom Nationalrat gewählt und vom Bundespräsidenten angelobt werden solle. Vorstellbar sei, die drei Höchstgerichts-Präsidenten mit einem Dreiervorschlag zu beauftragen, aus welchem der Nationalrat dann auswählen solle.

"Die Besten werden nicht StaatsanwältInnen"

Dass sich die offenen Stellen in der Korruptions-Staatsanwaltschaft nicht und nicht besetzen lassen, verwundert Heinz Mayer wenig: Dies sei eine Folge der Weisungsgebundenheit der StaatsanwältInnen, ist Mayer überzeugt. "Was immer ein Staatsanwalt in einem politisch heiklen Fall tut - man wird ihm immer vorwerfen, gegängelt zu sein, von welcher Seite auch immer". Das sei ein Grund, "warum die besten Juristen nicht Staatsanwälte werden wollen". Auch die chronische Unterbesetzung der Staatsanwaltschaften und daraus resultierende hohe Arbeitsbelastungen schreckten viele ab. 

Fazit: "Die Politik lässt den nötigen Respekt vor der Justiz vermissen" - auch budgetär. Anstatt dieses Ressort angemessen zu dotieren, erhöhe man einfach die Gerichtsgebühren - und damit auch die Hürde für Privatpersonen, einen Zivilprozess anzustrengen. Heinz Mayer hat sich ausgerechnet, welche Gebühren sich bei einem Streitwert von 200.000 Euro - "einer Eigentumswohnung zum Beispiel" - zusammenläppern: Bei einem Gang durch alle drei Instanzen kämen alleine die Gebühren für Kopien und ähnliche Auslagen auf 60.000 Euro. Für Privatpersonen sei das "ruinös" - und ein Grund für viele, auf die Durchsetzung des eigenen Rechts zu verzichten. (mas, derStandard.at, 12.9.2011)