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Ministerpräsident Viktor Orban will zu unorthodoxen Methoden greifen.

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Wien - Die Ankündigung der ungarischen Regierungspartei Fidesz am Freitag, den ungarischen Kreditnehmern eine begünstigte Rückzahlung von Fremdwährungsdarlehen ermöglichen zu wollen (siehe dazu: Ungarn will Privatschulden abwälzen), hat am Montag zu einem erneuten Banken-Kursrutsch an der Börse beigetragen: Die Anteilsscheine der stark in Osteuropa engagierten Raiffeisenbank International (RBI) und der Erste Group brachen in Wien um 6,5 bzw. 7,6 Prozent ein.

Offenbar plant der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban, die Rückzahlung von Fremdwährungskrediten in Schweizer Franken und möglicherweise auch in Euro zu einem begünstigten Kurs zuzulassen. Die Differenz sollten die vergebenden Banken tragen, hatte Fidesz-Fraktionschef Janos Lazar am Freitag gesagt.

Die österreichischen Banken wollten sich zunächst nicht zu den Plänen der Regierung Orban äußern und verweisen auf die noch unklare Nachrichtenlage. "Orban dürfte heute Nachmittag vor dem Parlament dazu Stellung nehmen. Bis dahin lässt sich kaum etwas sagen", sagte Michael Mauritz, Sprecher der Erste Group. Die Erste hat nach eigenen Angaben in Ungarn ein 3 Milliarden in Schweizer Franken vergeben. Das Gesamtkreditvolumen beläuft sich auf 134 Mrd. Euro.

"Unsere gesamten Privatkundenkredite in Schweizer Franken belaufen sich in der gesamten Region auf 3,4 Mrd. Euro", erklärte RBI-Sprecher Michael Palzer. Das entspreche 4,3 Prozent des Gesamtkreditportfolios der RBI.

Details unklar

Die Details des Gesetzesvorhabens sind auch wenige Stunden vor der Beschlussfassung nicht klar. Erfasst sind scheinbar nur Privatkundenkredite, in Wien wird aber auch nicht ganz ausgeschlossen, dass kleinere Unternehmenskredite ebenfalls erfasst sein könnten. Behörden schätzen das (bei österreichischen Banken) möglicherweise betroffene Kreditvolumen auf etwa fünf Milliarden Euro; die aus dem Gesetz drohenden Verluste könnten etwa 20 Prozent betragen.

Laut ORF-Mittagsjournal haben 1,3 Millionen Ungarn Fremdwährungskredite, 800.000 davon sollen sich in Zahlungsschwierigkeiten befinden. Die Umwandlung in Forint soll in den nächsten beiden Jahren stattfinden dürfen. Der Wechselkurs soll bei 180 Forint je Franken und 250 Forint je Euro liegen. Mit diesem für ungarische Schuldner günstigen Wechselkurs würden hunderttausende Häuslbauer entlastet, deren Rückzahlungssumme entsprechend der Stärke der Fremdwährungen (des Franken) gestiegen ist.

Bestürzung in Wien

Das Vorpreschen Budapests wird in der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) ziemlich kritisch gesehen: Dort ist man "bestürzt", dass "ein EU-Mitglied Fakten schafft, die mit den EU-Binnenmarktregeln kaum vereinbar" seien. Die daraus entstehende Rechtsunsicherheit würde Investoren abschrecken, was Ungarn in weiterer Folge selbst wirtschaftlich schaden könnte.

Das Finanzministerium in Wien wollte das Vorhaben nicht kommentieren, weil es den Entwurf noch nicht kennt - solange das der Fall sei, habe man keinen konkreten Ansatzpunkt und könne nicht tätig werden, sagte ein Sprecher des Finanzministeriums. "Sollte es Auswirkungen auf die Finanzmarktstabilität haben, könnte dies auch ein Thema für die Europäische Kommission und die europäische Finanzmarktaufsicht sein."

Spindelegger droht Ungarn mit EuGH

Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) droht Ungarn nun mit dem Gang zum EuGH. Ein erboster Ressortchef erklärte nach dem EU-Außenministertreffen am Montag in Brüssel, er habe "in schroffer Form" gegenüber seinem ungarischen Amtskollege Janosz Martonyi die Haltung Österreichs dargelegt. Die Ankündigung der Ungarn bedeute, dass Österreichs Banken "in ihrer Existenz bedroht" seien. Der Vorschlag von Ungarn sei ein "Verstoß gegen das, was wir in der EU aufgebaut haben. Privatwirtschaftliche Verträge müssen eingehalten werden." Mit dem Vorgehen von Budapest könne "sehr viel Porzellan zerschlagen werden, und europarechtlich ist das nicht haltbar". Und "das ist eine Vorgangsweise, die wir so nicht akzeptieren können".

Darauf angesprochen, was konkret an Maßnahmen gegen Ungarn möglich sei, sagte Spindelegger, die EU-Kommission müsse tätig werden und könne auch den Europäischen Gerichtshof einschalten. Die Kommission "hat die Möglichkeit, beim EuGH eine einstweilige Verfügung zu beantragen". Diese Möglichkeit gelte es zu prüfen.

Der Außenminister forderte auch Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) auf, mit Viktor Orban die Sache anzusprechen. Wenn von ungarischer Seite als Argumentation angeführt werde, es gelte darum, den Menschen zu helfen, könne er nur sagen, dass ein Risiko nicht einfach auf Dritte übertragen werden könne, auf die Banken und letztlich auf die Kunden. 

Protestbrief von Fekter

Finanzministerin Maria Fekter hat in einem Brief an den ungarischen Wirtschaftsminister gegen die geplante "Zwangskonvertierung" protestiert. Die Maßnahme werde zu "riesigen und sofort entstehenden Verlusten" im gesamten ungarischen Bankensystem führen und gefährde "die Finanzmarktstabilität in Ost- und Zentraleuropa und Europa als ganzes", schreibt Fekter an ihren Kollegen György Matolcsy.

"Wir weisen die geplanten Maßnahmen entschieden zurück, weil sie einen Bruch von Rechtssicherheit darstellen wie er bisher noch in keinem EU-Mitgliedsland vorgekommen ist." Die Maßnahme sei "keine in einer Marktwirtschaft akzeptable Praxis" und verstoße gegen "alle Erwartungen, die ein Investor in einer funktionierenden Marktwirtschaft und Demokratie haben kann".

Sollte das Gesetz doch kommen, müsste wenigstens die Gleichbehandlung von ungarischen Geldhäusern und Banken in ausländischem Eigentum gewährleistet sein. Ungarn riskiere die Finanzmarktstabilität der gesamten Region, schreibt Fekter. Sie erinnert an die so genannte "Wiener Initiative", bei der sich Auslandsbanken 2009 verpflichtet haben, kein Kapital abzuziehen und keine Kreditlinien zu kappen.

Töchter österreichischer Institute, speziell der Erste und Raiffeisen, gehören mit zu den größten Fremdwährungs-Kreditgebern. (APA)