Tote Raupe des Schwammspinners als abhängende Virenschleuder.

Foto: Michael Grove

Washington/Wien - Mehr als ein Jahrhundert lang standen Forscher vor einem rätselhaften Phänomen: Sie beobachteten die mit einem Virus infizierte Raupen des Schwammspinners dabei, wie diese ihre letzten Kräfte aufbieten, um etwas zu tun, was gesunde Raupen nie und nimmer tun würden: am helllichten Tag bis in die Wipfel von Bäumen zu klettern, um dort zu sterben.

Diese Raupen sind allem Anschein nach "fremdgesteuert" und erinnern dabei an ein Verhalten bestimmter Ameisen, die von einem Pilz namens Ophiocordyceps in Zombies verwandelt werden. Der Fruchtkörper des Pilzes schießt dann in idealen Verbreitungsbedingungen aus dem Kopf der Ameise empor.

Nicht ganz so grauenvoll aber ähnlich effektiv operiert das Virus, das die Schwammspinner befällt und bei ihnen die sogenannte Wipfelkrankheit auslöst, die bereits 1891 zum ersten Mal beschrieben wurde.

Das Ende der Raupen ist freilich ähnlich grausig: Die Raupe, die tot am Blatt oder am Stamm hängt, verflüssigt sich langsam. Bei dieser Art der Verwesung geben sie Millionen von Viren ab, die sich prächtig über den gesamten Baum ausbreiten können - und weitere Raupen anstecken.

Aber wie genau schafft es das Virus, sein Opfer zu manipulieren? Dieser Frage ging nun ein US-amerikanisches Forscherteam nach - und fand nun in der online-Ausgabe von "Science" die genetische Antwort. Im Laborversuch infizierten sie die Raupen mit sechs verschiedenen Viren der Gruppe der Baculoviren und beobachteten, was geschah.

Es zeigte sich, dass nur jene Viren, die das sogenannte egt-Gen enthielten, es auch schafften , die Raupen zu dem seltsamen Verhalten zu zwingen, das sie in gesundem Zustand nie zeigen würden. Viren, in denen das egt-Gen ausgeschaltet war, bewirkten keine Zombiefizierung. (tasch/DER STANDARD, Printausgabe, 10./11. 9. 2011)