Die City-Chefin und die Vizebürgermeisterin an der Opernkreuzung: "Manche Stellen am Ringradweg müssen entschärft werden."

Foto: Der Standard/Corn

Mir ist es lästig, in Fußgängerzonen vom Rad absteigen zu müssen - Ursula Stenzel

Für neue Radwege in der City müssen Parkplätze dran glauben - Maria Vassilakou

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Standard: Der erste Bezirk wird zunehmend zu einem Radfahrbezirk. Stört Sie das?

Stenzel: Nein, das stört mich nicht. Der erste Bezirk erfüllt ja schon fast die Zielvorgabe von Frau Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou. Also wir sind knapp an zehn Prozent. Es gibt hier sicher auch eine Schicht, die gerne Rad fährt. Was mich stört, sind höchstens Planungsfehler sowie mangelnde Rücksicht seitens der Radfahrer. Und sagen wir ein militanter Lobbyismus, den es manchmal vonseiten der Radfahrer gibt, die halt unbedingt in der Fußgängerzone fahren wollen oder auf Gehsteigen.

Vassilakou: Konflikte entstehen vorwiegend dort, wo Fußgänger und Radfahrer sehr knappen Raum auf dem Gehsteig teilen müssen. Wir müssen in den nächsten Jahren die Radwege vomGehsteig wegbekommen und konsequent auf die Fahrbahn verlagern. Gute Markierungen tun ein Übriges dazu. Und die sind in Wien veraltet. Ich meine, wir sollten die Radwege durchgängig in einer Kontrastfarbe streichen.

Standard: Die von Ihnen präferierte Kontrastfarbe wäre Grün?

Vassilakou: Das ist natürlich meine Lieblingsfarbe.

Stenzel: An der Farbe soll's nicht liegen. Aber es muss die Farbe sein, die eingespielt ist, das ist diese Tennisplatzfarbe, ich würde dabei bleiben.

Standard: Warum will sich die Stadt nicht - wie von der Bezirksvorsteherin gefordert - an der Sanierung des Ringradwegs beteiligen?

Vassilakou: Die Stadt ist zuständig für die Errichtung von Radwegen, die Erhaltung ist Aufgabe der Bezirke. Das heißt, wenn bestimmte Stellen entschärft werden müssen, dann ist es meine Kompetenz. Wenn Markierungen sichtbarer werden sollen, dann ist es die Aufgabe von Frau Stenzel. Ich meine, dass man an die Bezirke einiges an Kompetenzen ausgelagert hat, die nicht mit dem erforderlichen Budget begleitet wurden. Andererseits könnte ich schon auch kritisch anmerken, dass es im ersten Bezirk offenbar andere Prioritäten gegeben hat, warum man hier bei der Erhaltung der Markierungen nachlässig war.

Stenzel: Der alte Radweg am Ring hat Unsicherheitsstellen, die bereinigt gehören. Für die Sanierung fehlt dem Bezirk schlichtweg das Geld. Um den zweiten Ringrundradweg habe ich mich nicht gerissen, das muss ich ehrlich sagen. Aber ich kann die Fahrräder nicht in Luft auflösen, und ich verstehe auch, dass Menschen gerne mit dem Rad ihren Geschäften nachgehen. Ich mache das nicht gern. Mir ist es lästig, in Fußgängerzonen absteigen zu müssen. Ich bin nun einmal bequem: Ich will Rad fahren und nicht schieben - akzeptiere aber, dass ich in Fußgängerzonen nicht fahren darf.

Vassilakou: Der Ringradweg ist absolut überlastet. Deshalb die zweite Fahrbahn. Ich finde es schade, dass dies zu einem Politikum wurde. Wir brauchen auch neue Querungen in der Innenstadt, um den Ringradweg zu entlasten. Dabei müssen Parkplätze dran glauben.

Stenzel: Ich bin kein Auto-Fetischist, aber ein Politiker muss für die Autofahrer mitdenken und für die, die hier wohnen. Und die haben jetzt schon große Probleme, einen Parkplatz zu finden. In dieser Notlage die Leute noch einmal zu strangulieren kann man von mir nicht verlangen. Daher sage ich: Neue Radabstellanlagen oder Radwege bitte erst dann, wenn wir das Problem der Bewohnerparkplätze gelöst haben. Und ich bin guten Mutes, dass wir Parkplätze, die nur von Anrainern benützt werden dürfen, ermöglichen können.

Standard: Also erst das Anrainerparken umsetzen, bevor es neue Radwege gibt?

Vassilakou: Der Gesetzgeber ermöglicht uns Anrainerparkplätze in sehr bescheidenem Ausmaß. Sie sind deshalb nur ein Weg, Entlastung zu bringen. Es wäre schon auch eine Überlegung wert, die City insgesamt weiter zur verkehrsberuhigten Zone zu machen. Es gibt kaum einen idealeren Ort dafür. Es gibt viele schmale Gassen, in die sich Autos qualvoll hineinzwängen. Eine Lösung wäre, in manchen Straßen nur Anrainern die Zufahrt zu ermöglichen, etwa mit versenkbaren Pollern.

Stenzel: Ich kenne keine Tabuthemen. Aber wir sind eben kein reiner Wohnbezirk und auch kein reiner Wirtschaftsbezirk. Die City ist kein kleiner Altstadtkern wie Stockholm, den ich mit Pollern zumachen kann, sondern ein Mix. Deshalb warne ich vor der zu frühen totalen Verkehrsberuhigung.

Vassilakou: Ein reicher Manager oder ein Anwalt, der mit dem Auto in die Arbeit fährt, kann sich ohne weiteres einen Garagenplatz leisten. Und wir haben eine Vielzahl von Garagen, die leerstehen, weil es sich immer noch rentiert zu kreisen.

Stenzel: Wenn Sie untertags in die Garagen schauen, sind alle ausgelastet. In der Nacht sind sie leer, weil auch sehr teuer. Eine Garage ist nicht das Böse an sich. Das Problem ist der Preis. Meist schauen die, die viel Geld haben, ganz besonders aufs Geld. Für die ist es ein Sport, einen Parkplatz an der Oberfläche zu finden.

Standard: Warum weisen Sie ständig auf Rad-Rowdys, aber nie auf rücksichtslose Autofahrer oder Fiaker hin?

Stenzel: Weil die Bürger wegen der Radfahrer zu mir kommen, ich erfinde das ja nicht.

Standard: Sie haben ja auch schon auf Gehsteig-Fahrer geschimpft. Könnte der Verkehrsknigge ein gemeinsames Projekt werden?

Stenzel: Was heißt Knigge? Bitte benimm dich gut und spuck nicht aus?

Vassilakou: Ein Knigge ist kein Benimmdichregelwerk, darauf lege ich Wert. Knigge hat eine Abhandlung über den Umgang mit Menschen geschrieben. Mir ging es weder damals noch heute um einen Knigge für Radfahrer, sondern um Sensibilisierungsarbeit, die es für alle Verkehrsteilnehmer braucht.

Standard: Sie sind mit dem Anspruch angetreten, den Radfahranteil zu verdoppeln. Bisher haben Sie allerdings kaum Projekte umgesetzt. Warum?

Vassilakou: 17 Kilometer neue Radwege können sich sehen lassen. Inklusive des über eine Million teuren Projekts Ringaußenradweg. Mit den fahrradfreundlichenStraßen sind wir gut vorangekommen. Und die grüne Welle für Radfahrer wird auch umgesetzt.

Stenzel: Heißt das, dass sich die Ampeln nur noch nach Fahrrädern richten? Ich frage nur, weil das wäre furchtbar!

Vassilakou: Nein, es gibt die Möglichkeit, auch für Radfahrer die Ampelschaltungen so zu takten, dass sie bei gleichbleibendem Tempo zügig vorankommen.

Standard: Wie viel Geld hat Wien heuer fürs Radfahren ausgegeben?

Vassilakou: Das werde ich erst mit Ende des Jahres beziffern können. Wir geben heuer jedenfalls wesentlich mehr dafür aus als in den Jahren davor. Und es gab auch noch nie so viele Radfahrer. Das, was es an Unfällen gab, steht in keiner Relation zur Aufgeregtheit der Debatte. Es ist in Wien so wie in anderen Städten: Je mehr der Radfahranteil steigt, umso mehr steigt die Verkehrssicherheit. Das zeigt die Statistik. Das Ausmaß der Aufregung führe ich darauf zurück, dass sich in unserer kleinenStadt etwas verändert.

Stenzel: Das war ein Schlusswort, dem ich nichts hinzuzufügen habe - außer dass ich einen gewissen Zweifel an der Seriosität der Statistik habe. (Martina Stemmer, DER STANDARD; Printausgabe, 10./11.9.2011)