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Der Verdächtige wurde aus der Untersuchungshaft in der Justizanstalt Ried im Innkreis entlassen.

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Linz - Ein 80-jähriger Oberösterreicher, der unter Verdacht stand, seit 1970 seine beiden Töchter - heute 53 und 45 Jahre alt - regelmäßig sexuell missbraucht und körperlich misshandelt zu haben, ist am Freitag aus der vor zwei Wochen verhängten Untersuchungshaft entlassen worden. In ihrer kontradiktorischen Einvernahme stellten die beiden Frauen, bei denen geistige Defizite vorhanden sind, die Übergriffe in Abrede. Das berichtete die Staatsanwaltschaft Ried im Innkreis in einer Presseaussendung am Freitag.

Der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr sei damit weggefallen, so die Behörde. Der Anwalt des Beschuldigten bezeichnete die Enthaftung seines Mandanten als ersten Schritt in die richtige Richtung. Es habe sich bewahrheitet, was der 80-Jährige von Anfang an gesagt habe, nämlich, dass Dritte die beiden Frauen aufgehetzt hätten. Betreuerinnen und Verwandte seien mit Mutmaßungen zur Polizei gegangen, so der Jurist. Er wolle nun auf die Aussage des psychiatrischen Gutachtens warten und "dann weiterschauen".

Begriffe möglicherweise nicht verstanden

Die beiden Opfer hätten die sexuellen Übergriffe vor der Polizei angegeben, stellte die Leitende Staatsanwältin Ernestine Heger fest. Doch habe sich in den späteren Befragungen herausgestellt, dass es fraglich sei, ob sie die entsprechenden Begriffe überhaupt verstanden haben. Sie hätten einschlägige Tathandlungen beschrieben, die jedoch ein anderer Mann an ihnen verübt habe. Das liege allerdings schon längere Zeit zurück und müsse noch überprüft werden. Dass ihr Vater das gleiche mit ihnen gemacht habe, hätten sie dezidiert in Abrede gestellt.

Das bestätigte auch der Anwalt des 80-Jährigen. "Vergewaltigung heißt für sie, wenn jemand einen ans Bett fesselt oder aus dem Bett stößt", erklärte der Anwalt. Sex bedeute für die beiden Töchter, von denen eine eine leichte, die andere eine mittelgradige Intelligenzminderung habe, wenn jemand nackt herumlaufe. "Sie sagen: Das hat der Papa mit uns nicht gemacht." Allerdings habe ein Fremder das getan.

"Der Papa hat uns schon geschlagen"

Bezüglich der dem Verdächtigen ebenfalls angelasteten Körperverletzungen und gefährlichen Drohung bestünde keine Tatbegehungsgefahr mehr, da die Delikte schon längere Zeit zurücklägen. Das müsse noch geprüft werden. Über die ausführliche Berichterstattung in den Medien seien die beiden ebenso unglücklich wie aufgebracht, so die Staatsanwältin.

"Der Papa hat uns schon geschlagen, aber nicht mehr seit die Mutter tot ist", hätten die Töchter laut Anwalt gesagt. Die gefährlichen Drohungen seien in seinen Augen lediglich allgemeine Unmutsäußerungen "nicht eben von der feinen, englischen Art".

Der Fall war am 25. August bekanntgeworden. Demnach habe der 80-Jährige bereits im vergangenen Mai erneut seine ältere Tochter vergewaltigen wollen. Die Frau habe sich aber gewehrt und habe ihn zurückgestoßen, der Mann stürzte. Er konnte nicht mehr aufstehen, seine Töchter ließen ihn am Boden liegen. Erst zwei Tage später riefen sie eine Sozialarbeiterin, die ihm half. Sie erstattete Anzeige bei der Polizei. In den Ermittlungen tauchte der Inzest-Verdacht auf.

Verdächtiger bestritt Vorwürfe von Beginn an

Noch am selben Tag wurde der 80-Jährige, der sich bis dahin in einem Pflegeheim aufgehalten hatte, festgenommen und in die Justizanstalt Ried überstellt. Begründet wurde die Haft mit dem Verdacht der Körperverletzung, des Quälens oder Vernachlässigens unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen, der gefährlichen Drohung, der Nötigung, der Vergewaltigung und weiterer sexueller Delikte gegen wehrlose Personen. Der Beschuldigte bestritt von Anfang sämtliche Vorwürfe. Am 26. August wurde die U-Haft verhängt.

Der Fall sorgte - auch international für großes Aufsehen. In der Öffentlichkeit begann eine Diskussion darüber, warum die Affäre in der Umgebung der Familie so lange unbemerkt geblieben sei. Auch die Polizei und zuständige Bezirkshauptmannschaft gerieten in diesem Zusammenhang in ein schiefes Licht. Vergleiche mit dem Inzest-Fall von Amstetten, der als eines der größten Verbrechen in die heimische Kriminalgeschichte eingegangen ist, wurden angestellt. Josef F. hielt seine Tochter 24 Jahre lang in einem Kellerverlies gefangen und zeugte mit ihr sieben Kinder, eines starb nach der Geburt. 2009 wurde F. am Landesgericht St. Pölten von einem Schwursenat in allen ihm vorgeworfenen Punkten rechtskräftig schuldig gesprochen und zu lebenslanger Haft mit Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher verurteilt. (APA)