DER STANDARD-
Schwerpunktausgabe 9/11

Grafik: STANDARD

Am Ende waren es nur noch drei, die im Herbst 2001 um die schmucke Braut ritterten: die Raiffeisenlandesbank Oberösterreich (RLB), die OneTwo Beteiligungs- und Managementberatungs GmbH (OTBM) sowie die spanische Afinsa Group. Kurz vor dem Finale war die UIAG ausgeschieden, für einen Finanzinvestor sei das Projekt interessant, aber zu teuer, ließ der damalige Chef Kurt Stiassny ausrichten. Eine Milliarde Schilling wollte die ÖIAG über die Privatisierung des Dorotheums lukrieren, ein adäquater Unternehmensplan sollte dabei das wichtigste Entscheidungskriterium sein. Ein "Ikea für Kunst" , von dem etwa das RLB-Konzept fantasierte? Bloß nicht.

13. September 2001, 16.35 Uhr: Via APA verkündete die ÖIAG ihre Entscheidung und das Modell einer verheißungsvollen Ver-bindung von Old und New Economy. Seit Februar 2000 waren die OTBM-Tochter OneTwoSold (OTS) und das Traditionsunternehmen bezüglich einer Kooperation bereits auf Tuchfühlung gegangen. In der gemeinsamen Zukunft würde der elektronische Handel eine große Rolle spielen, schon weil OTS als Marktführer in Österreich galt - Branchengigant Ebay startete seinen Eroberungsfeldzug ja erst 2002.

Seither ist viel passiert und wurden auch manche Ideen zu Grabe getragen: der Anfang 2009 lancierte Bereich Immobilien-Auktionen etwa oder eben der Ausbau von E-Commerce - neben Handel, Pfand und Versteigerungen - zum vierten Standbein des Dorotheums. Im August 2008 trat man OTS an "Ricardo" ab, der Ende 2010 offline ging.

Von Turin bis nach Amsterdam

Ja, bestätigt der für den Auk-tionsbereich verantwortliche Geschäftsführer Martin Böhm, dieser Bereich habe sich völlig anders entwickelt als erwartet. Die Technologie selbst sei punkto Kommunikation wichtiger denn je und ausbaufähig. Derzeit wird an entsprechenden Applikationen getüftelt, konkret an einer mobilen Website, die spätestens im November verfügbar sein wird.

An seinen ersten Arbeitstag könne sich Böhm kaum erinnern, ein ruhiger 2. Jänner 2002, und auf seinem Schreibtisch herrschte gähnende Leere. Nicht nur das änderte sich schnell. Der mit dem Beratungsunternehmen Roland Berger zu Papier gebrachte Businessplan hielt der fehlenden Innensicht wegen in der Praxis nur teilweise stand, wie der Mittvierziger bekennt. Den zu etwa 70 Prozent kreditierten Kaufpreis tilgte man, auch über den Verkauf der Immobilien (u.a. Palais Dorotheum), bis Ende 2003. Weiters wurde der von Lucas Tinzl verantwortete Bereich Handel und Pfand ausgebaut, etwa über den Erwerb von Orex (2004), der größten Juwelierkette Ungarns, wo in den 39 Filialen mittlerweile ebenso das Pfandgeschäft blüht.

International "versteigerte" man sich bis in die obere Liga, wie die stattlichen Umsätze belegen, allein 143 Millionen Euro aus dem Versteigerungsgeschäft zuletzt. Als Mitbewerb bezeichnen die Gesellschafter - darunter neben Böhm und Tinzl, die Brüder Soravia sowie Johanna und Christoph Dichand - die Giganten Christie's und Sotheby's mittlerweile.

Das Netzwerk der Repräsentanzen im Ausland wuchs kontinuierlich, demnächst wird Italien um Turin erweitert. Amsterdam eventuell, dort zieht sich Sotheby's gerade zurück? Martin Böhm lächelt, "immer eine Überlegung wert" . Das Resümee des 2,5-fachen Familienvaters nach zehn Jahren? Weit über den Erwartungen, womit man über das angepeilte Ziel schon hinausgeschossen wäre. Das größte Learning? Trotz Passion gelingt nicht alles, nur sollte man das Handtuch nicht zu schnell werfen. (kron, DER STANDARD/ALBUM - Printausgabe, 10./11. September 2011)