Nicht nur Tiere, auch Pflanzen können in gewisser Hinsicht "sehen". Insbesonder die Wahrnehmung von dunkelrotem Licht ist für manche Arten überlebenswichtig - und zwar vor allem dann, wenn sie im Schatten anderer Pflanzen gedeihen wollen. Denn dort ist das Lichtspektrum reich an dunkelrotem Licht, besitzt aber kaum Rot- und Blauanteile. Ein deutsches Wissenschafterteam hat nun herausgefunden, mit welchen zellulären Tricks die Pflanzen das obere langwellige Ende des Lichtspektrums wahrnehmen, obwohl die photophysikalischen Eigenschaften ihrer Lichtrezeptoren dafür eigentlich nur schlecht geeignet sind.

Bei Menschen und Tieren sind lichtempfindliche Proteine in den Sinneszellen der Retina für die Lichtwahrnehmung verantwortlich. Auch Pflanzen verfügen über Proteine, die Licht registrieren können - sogenannte Photorezeptoren. Phytochrome sind pflanzliche Photorezeptoren, die am besten durch Rotlicht aktiviert werden und deshalb ideal geeignet sind, den Rot-Anteil im Lichtspektrum wahrzunehmen. Interessanterweise haben Pflanzen für die Wahrnehmung von dunkelrotem Licht keinen neuen Photorezeptor entwickelt, sondern verwenden ebenfalls ein Phytochrom, obwohl dieses aufgrund seiner photophysikalischen Eigenschaften eigentlich nur schlecht dafür geschaffen ist. Dieses Problem war seit langem bekannt, konnte bisher aber nicht gelöst werden.

Die Arbeitsgruppen von Andreas Hiltbrunner vom Zentrum für Molekularbiologie der Pflanzen (ZMBP) der Universität Tübingen und Eberhard Schäfer vom Institut für Biologie II der Universität Freiburg konnten schon früher nachweisen, dass das sogenannte Phytochrom A bei der Wahrnehmung von dunkelrotem Licht aus dem Cytosol - dem Bereich außerhalb des Zellkerns - in den Zellkern transportiert wird, und dass dafür Transporthelferproteine benötigt werden. In der neuen Arbeit konnte nun die Tübinger Arbeitsgruppe um Hiltbrunner zeigen, dass diese Transporthelferproteine Phytochrom A im Cytosol binden, dieses in den Zellkern bringen und sich dort wieder von diesem lösen, bevor sie selber wieder ins Cytosol zurückkehren.

Mathematische Hilfe

Die Wissenschafter konnten auch nachweisen, dass eine leicht veränderte Variante von Phytochrom A, die permanent an die Transporthelferproteine bindet, kaum in den Zellkern transportiert wird und die Wahrnehmung von dunkelrotem Licht fast vollständig blockiert. Der Grund dafür ist, dass die veränderte Variante von Phytochrom A den Zyklus von Bindung an die Transporthelferproteine im Cytosol und Loslösen von diesen im Kern stört. Wie sich mit Hilfe mathematischer Modelle bestätigen ließ, ist genau dieser Transportzyklus wichtig ist für die Funktion von Phytochrom A.

Mit Hilfe von Computersimulationen haben die Forscher eine Million Kombinationen von Reaktionskonstanten überprüft und gefunden, dass die Bindung von Phytochrom A an die Transporthelferproteine im Cytosol und die Loslösung von diesen im Zellkern dafür verantwortlich sind, dass Phytochrom A unter anderem optimal als Photorezeptor für dunkelrotes Licht funktioniert. Die mathematische Analyse vereinfachter Reaktionsmodelle identifizierte weitere Schlüsselkomponenten, die für die Wirksamkeit von Phytochrom A in dunkelrotem Licht wichtig sind, und die von den Wissenschaftern auch experimentell in der Pflanze nachgewiesen werden konnten. (red)