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Rechtsradikale gegen Linksextreme bei einer Demonstration in Schweden. Laut Umfragen wächst auch in der allgemeinen Bevölkerung die ablehnende Haltung gegenüber Einwanderern.

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Angesichts der gefährdeten Situation der jüdischen Minderheit in Schweden stellt die Regierung Sondermittel unter anderem zum Schutz jüdischer Einrichtungen bereit. Im kommenden Haushalt werden dafür umgerechnet rund 450.000 Euro veranschlagt, gab Integrationsminister Erik Ullenhag kürzlich bekannt. Der wachsende Antisemitismus in Schweden hatte in jüngster Zeit auch im Ausland für Aufsehen gesorgt. So hat das Simon-Wiesenthal-Zentrum Juden vor einem Aufenthalt im multikulturellen südschwedischen Malmö gewarnt.

Insgesamt haben sich in Schweden extremistische und allgemeine rassistische Tendenzen verstärkt, wobei religiöse Konflikte eine wachsende Rolle spielen. Laut einem Bericht des "Zentrums für Lebendige Geschichte" fühlen sich neben Juden vor allem Muslime im Alltag bedroht und diskriminiert. Die Zahl antisemitischer und antimuslimischer Websites hat sich seit 2009 nahezu verdoppelt, von rund 8000 auf 15.000.

Aktionsprogramm geplant

Gegenstand der Haushaltsverhandlungen ist nun auch die Finanzierung eines landesweiten Aktionsprogramms zur Bekämpfung von politischem und religiösem Extremismus. Schwerpunkte sollen die präventive Arbeit und Hilfen für Ausstiegswillige sein. Bisher gibt es Exit-Programme nur für Rechtsextremisten, nicht aber für Angehörige der islamistischen Szene, wie etwa in Dänemark, oder für Linksextreme.

Bei der Analyse von Straftaten muss sich auch Schweden der Tatsache stellen, dass Extremismus nicht mehr so leicht zu orten ist. Juden erleben Drohungen und Gewalt längst nicht mehr nur von Rechtsextremen, sondern auch aus dem linksextremen Lager und von Muslimen.

Beim Stichwort Rechtsextremismus habe man nach wie vor oft das "stereotype Bild des Nazis" mit antisemitischem Feindbild vor Augen, so die Rechtsextremismus-Expertin Heléne Lööw. Dabei richte sich Rechtsextremismus eben oft nicht mehr gegen Juden, sondern gegen Muslime - wie beim norwegischen Massenmörder Anders Behring Breivik.

Vor allem die Schwedendemokraten, die seit Herbst im Reichstag sitzen, schwimmen auf der Welle der Islamfeindlichkeit. Breiviks Gedankengut sei in den Kommentarfeldern der Internetausgaben schwedischer Tageszeitungen "tagtäglich präsent", begründet Aftonbladet-Chefredakteur Jan Helin die Entscheidung seines Blattes, die Posting-Funktion einzuschränken.

Zwar werden hinter vielen der gröbsten Hasstiraden Mitglieder der Schwedendemokraten vermutet; die Partei betreibt eine äußerst aktive Internetpolitik. Skeptische bis ablehnende Haltungen gegenüber Einwanderern und vor allem Muslimen spiegelt aber auch eine aktuelle Umfrage der Universität Uppsala wider. Laut dem "Vielfalts-Barometer" für 2011 sieht das Gros der Befragten ethnische Vielfalt zwar grundsätzlich positiv. Mehr als 80 Prozent fordern von den Einwanderern aber eine "Anpassung an die schwedische Lebensweise". Zwanzig Prozent lehnen jegliche islamisch motivierte Gesichts- oder Körperverhüllung in der Öffentlichkeit strikt ab, 65 Prozent meinen, dass "bestimmten Einwanderergruppen die Integration in die schwedische Kultur nicht möglich" ist, und ein Viertel sieht die Einwanderung als Bedrohung schwedischer Kultur.

Seit den Norwegen-Attentaten appelliert die Führung der Schwedendemokraten an die Mitglieder, sich mit antimuslimischer Hetze zurückzuhalten. Die Partei wird auch zunehmend zur Zielscheibe linksextremistischer Attacken. (Anne Rentzsch aus Stockholm, STANDARD-Printausgabe, 9.9.2011)