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Besteht ein Zusammenhang zwischen dem Zifferblatt einer Uhr und dem unten dargestellten Experimentaltablett? Würzburger Forscher glauben es.

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Foto: Universität Würzburg

Würzburg - Generationenlanges Aufwachsen neben Uhren mit Zifferblättern scheint Spuren hinterlassen zu haben - oder vielleicht ist es ja kein Zufall, dass sich der Zeiger im "Uhrzeigersinn" bewegt, um das Voranschreiten der Zeit darzustellen. Verschiedene Drehrichtungen scheinen Menschen jedenfalls mit unterschiedlichen Assoziationen zu verbinden, wie Würzburger Forscher in einer Reihe von Experimenten zeigen konnten. 

"Menschen verknüpfen den Verlauf der Zeit eng mit räumlichen Vorstellungen, so eben auch mit der Drehrichtung, wie wir sie tagtäglich auf Uhren und anderen Geräten erleben", sagt Sascha Topolinski, Psychologe an der Uni Würzburg. Immerhin gibt es nicht nur Uhren - der Motor startet, wenn wir den Schlüssel rechtsherum drehen; die Musik wird lauter, wenn wir den Regler aufdrehen. Diese Bewegung, so der Würzburger Forscher, scheint tendenziell "Es geht voran!" zu signalisieren.

Wenn Menschen also eine Drehbewegung im beziehungsweise gegen den Uhrzeigersinn mit einer zeitlichen Vorstellung verknüpfen - Zukunft und Neues beziehungsweise Vergangenheit und Vertrautes: Wie beeinflusst das ihre Einstellungen und ihre Entscheidungen? Diese Frage haben Sascha Topolinski und Peggy Sparenberg vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig untersucht und berichten darüber in der Fachzeitschrift "Social Psychological and Personality Science".

Experiment 1

Angeblich zur Belohnung für ihre Teilnahme an einer Reihe von Versuchen - die sie in Wahrheit nur zum Schein absolviert hatten - durften die Probanden sich aus einer Reihe von Bechern mit Bonbons unterschiedlichen Geschmacks bedienen. Diese Becher wurden auf einem drehbaren Tablett präsentiert, wie man sie manchmal in Restaurants am Büffet findet. Um die jeweilige Geschmacksrichtung lesen zu können, mussten die Versuchsteilnehmer das Tablett drehen - was jeweils nur in einer Richtung möglich war, mal im und mal gegen den Uhrzeigersinn.

Insgesamt 16 Geschmacksrichtungen waren auf der Scheibe vertreten. Acht davon waren eher gewöhnlich, so wie Apfel, Kirsche oder Zitrone. Acht andere Bonbons besaßen eher ungewöhnliche Aromen wie Popcorn, Marshmallow oder Melone. Fünf daraus sollten sich die Probanden nehmen. Dabei zeigte sich: "Wer die Scheibe im Uhrzeigersinn gedreht hatte, wählte häufiger die ungewöhnlichen neuen Sorten", so Topolinski.

Experiment 2

Die Drehrichtung im oder gegen den Uhrzeigersinn beeinflusst sogar die Persönlichkeit, unsere Vorlieben und Werte, wie die Psychologen aus einem weiteren Experiment ableiten. Hier sollten 60 Freiwillige beim Kurbeldrehen ihre persönlichen Einstellungen und Vorlieben beschreiben: Sind sie eher weltoffen, tolerant und kreativ? Oder halten sie bevorzugt an althergebrachten und konservativen Werten fest? Das Ergebnis soll eindeutig gewesen sein: "Es zeigte sich, dass Kurbeln im Uhrzeigersinn weltoffener und kreativer macht", so Topolinski.

Dies gelte sogar dann, wenn Menschen die Bewegung gar nicht selbst ausüben, sondern nur beispielsweise in Form sich drehender Vierecke dargeboten bekommen, so die Psychologen nach einem entsprechenden weiteren Experiment.

Folgerungen und Spekulationen

Was auf den ersten Blick wie eine Spielerei aussieht, hat einen wichtigen Hintergrund: Psychologen erforschen auf diese Weise, wie kulturelle und technische Konventionen unbewusst unser Erleben und Empfinden beeinflussen können. So hat die Drehrichtung einer Bewegung an sich keinerlei Bedeutung für den Körper. Nur durch unseren tagtäglichen Umgang mit Uhren, Schaltern und Hebeln erhält sie die Bedeutung von Vergangenheit und Zukunft.

Diese Ergebnisse könnten Implikationen für die Praxis haben: "Drehtüren drehen sich im Allgemeinen gegen den Uhrzeigersinn, auch in den meisten Kaufhäusern. Das macht die Kunden konservativ. Eine Änderung der Gehrichtung könnte bei ihnen die Neugierde für neue Produkte wecken", spekuliert Topolinski. Anders im Casino: "Hier drehen sich Glücks- und Rouletteräder immer im Uhrzeigersinn. Das macht die Spieler offener und lässt sie vielleicht riskanter spielen", so der Psychologe. Topolinski hat noch mehr solcher Beispiele parat: "Achten Sie mal auf das 'Ladesymbol' im Internet, wenn sich eine neue Seite aufbaut. Das geschieht fast immer im Uhrzeigersinn", sagt er. (Was aber auch nicht überraschend erscheint, wenn damit ein zeitlicher Prozess angezeigt werden soll.) Topolinski ist sich jedenfalls sicher: "Zukünftige angewandte Forschung wird die Folgen von Drehrichtung im Alltag näher untersuchen." (red)