Bonn - In der Kreidezeit vor rund 100 Millionen Jahren entstanden im Bergischen Land im Westen Deutschlands durch Auswaschung tiefe Höhlen im Kalkstein, die nach und nach durch Regenwasser mit Sand aufgefüllt wurden. Die Sande enthalten häufig Holzkohlenstücke, die durch Waldbrände entstanden sind. Und diese Kohle ist für die Wissenschaft ein äußerst wertvolles Archiv: Die räumliche Gestalt von Pflanzen- und Tierresten blieb darin praktisch unverändert, sie sind "Schnappschüsse" aus einem längst vergangenen Alltag.

Ein internationales Team aus Paläontologen unter Leitung der Universität Bonn und des Geologischen Dienstes Nordrhein-Westfalen untersuchte solche verkohlten Überreste und stieß dabei auf ein mikroskopisches, aber nichtsdestotrotz tragisches Schicksal: Auf einer kleinen Blüte, die bei einem Waldbrand in Holzkohle umgewandelt wurde, fanden sie das 0,2 Millimeter kleine Jungtier einer Hornmilbe, die mit dem Kopf in einem der Pollensäcke der Blüte steckt. "Als das Tier vom Waldbrand überrascht wurde, war es gerade dabei, Pollen der Blüte zu verzehren", berichtet Torsten Wappler vom Steinmann-Institut für Geologie, Mineralogie und Paläontologie der Universität Bonn. Kotpillen auf der Blüte zeugen zudem von vorangegangenen Mahlzeiten. 

Wandel des Ökosystems

"Milben sind ein wichtiger Bestandteil der Bodenfauna", sagt der Bonner Paläontologe. "Die Blüte ist außerdem bereits von Pilzhyphen überzogen." Wegen dieser Indizien gehen die Wissenschafter davon aus, dass die Blüte verwelkt und von der Pflanze zu Boden gefallen ist, bevor sich die Hornmilbe darüber hermachte. Seit 1997 konnten bereits hunderte Fossilien von sehr alten Blüten und verschiedenen Gliedertieren aus dem Sediment geborgen werden. Daran sind Details von Mundwerkzeugen, Facettenaugen oder Sinneshaaren gestochen scharf zu erkennen.

"Diese spektakulär gute Erhaltung ermöglicht Einblicke in ein längst vergangenes Ökosystem", erklärt Wappler. Denn die Fossilien belegen eine tiefgreifende Veränderung in der Kreidezeit: Damals kam es mit dem ersten Auftreten der Blütenpflanzen zu einem großen Umbruch, der als der bedeutsamste während der gesamten Entwicklung der Pflanzen angesehen wird. In kurzer Zeit entstanden rund 440 Familien mit heute etwa 250.000 Arten. In der Folge machten auch die Gliederfüßer als ökologisch wichtige Gruppe eine rasche Evolution durch. "Sogar die Landwirbeltiere waren von den Veränderungen betroffen", berichtet Wappler. "Zu Recht gilt daher die Kreidezeit als entscheidender Zeitabschnitt für den Ursprung der heutigen Ökosysteme des Festlandes." (red)