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Fisherman's Friend: Die Königskrabbe ... Meeresbodenbewohner hingegen fürchten die gefräßige Riesin.

Foto: AP Photo/Klas Stolpe

London - Die Familie der Stein- und Königskrabben (Lithodidae) hat nicht nur besonders große Vertreter hervorgebracht, sondern auch erfolgreiche Invasoren. Das bekannteste Beispiel ist die Kamtschatkakrabbe (Paralithodes camtschaticus), die eine Spannweite von über eineinhalb Metern erreichen kann. Ursprünglich kam sie nur im Nordpazifik vor, in den 60ern wurde sie dann als Fleischlieferant in der Barentssee ausgesetzt - und hat seitdem den Norden Skandinaviens umrundet und sich in der Nordsee auszubreiten begonnen. Durchaus zur Freude von Fischern, weniger jedoch der von Ökologen.

Schon länger hat man befürchtet, dass Verwandte dieser Invasorin eines Tages die Antarktis erreichen könnten. Bislang waren nur einige Spezies dieser gefräßigen Krustentiere rund um Inseln nahe der weit nach Norden ragenden Antarktischen Halbinsel und am äußersten Rand des Kontinentalschelfs gesichtet worden. Die Zone direkt am eisigen Kontinent schien bislang frei. Irgendwann jedoch, so die Besorgnis, könnten Larven von Königskrabben mit wärmerem Wasser entlang der südamerikanischen Küste Richtung Südpol gespült werden und dort ihr bekanntes Zerstörungswerk beginnen.

Offenbar ist dieses Szenario aber schon lange eingetreten, wie Forscher im Fachjournal "Proceedings B" der Royal Society berichten. Sie stießen nämlich in der Region Palmer Deep am Westrand der Antarktis auf eine enorme Population von Königskrabben der Spezies Neolithodes yaldwyni, die etwa einen Meter groß werden. Aus Lebendsichtungen und entdeckten Krabbenspuren schließen die Forscher, dass sich etwa eineinhalb Millionen dieser Tiere in dem Becken aufhalten. Bei einem gefangenen Weibchen wurden Eier und Larven gefunden, sie vermehren sich also bereits vor Ort. Ursprünglich dürften sie durch ein einmaliges Vordringen einer warmen Strömung hier angespült worden sein, möglicherweise liegt dies bereits 30 oder 40 Jahre zurück.

Kahlfraß

Königskrabben stehen im Lebensraum Meeresboden an der Spitze der Nahrungskette und machen sich dort vor allem über Stachelhäuter wie Seegurken oder Seesterne her. Mit dem Tauchroboter "Genesis" der Universität Gent konnten die Forscher unter der Leitung von Craig Smith von der Uni Hawaii feststellen, welche Auswirkungen dies hat. Die Krabben leben in einer Zone von maximal 850 Metern unter dem Meeresspiegel - darüber kommen sie nicht vor. Und diese Grenze spiegelt sich in der Artenvielfalt wieder: Oberhalb der Grenze existiert eine reichhaltige Fauna von Seelilien, Schlangensternen, Seegurken und anderen Arten. Unterhalb der Grenze ist alles nahezu leergefegt. Es gibt auch eine Art Übergangsbereich, der sich 50 bis 100 Meter oberhalb der eigentlichen Grenze erstreckt. Hier ist die Artenvielfalt zumindest deutlich verringert - die Forscher vermuten, dass die Krabben in diese Zone zu kurzfristigen Jagden eindringen, sich hier aber nicht dauerhaft aufhalten können.

Dabei ist nicht die Tiefe der entscheidende Faktor, sondern die Temperatur: In tieferen Schichten ist das Wasser wärmer, nahe der Oberfläche hingegen ist es für die Krabben zu kalt. Noch. Aus bisherigen Erfahrungen mit Königskrabben wird abgeleitet, dass es den Tieren ab 1,4 Grad Celsius zu kalt wird. Das verbannt sie unter die 850-Meter-Grenze, lässt sie in einem Becken wie der Palmer Deep gedeihen, hält sie aber vom Großteil des antarktischen Kontinentalschelfs fern, wo das Meer nur etwa 500 Meter tief ist. Schreitet jedoch die Erwärmung der antarktischen Gewässer weiter so voran wie bisher, steht den Krabben in einigen Jahrzehnten der gesamte Schelf offen, befürchtet Smith. 

Der Artenvielfalt zuliebe könnte dann sogar die Krabbenfischerei am Antarktis-Rand erlaubt werden, äußerte Smith gegenüber der BBC: Als letzte Möglichkeit, die räuberischen Tiere in Schach zu halten, wenn die ökologischen Konsequenzen ihrer Invasion zu verheerend werden. (red)