Gerade bei älteren Menschen mache man in Österreich nahezu überhaupt keine Autopsien mehr.

Foto: Standard/Matthias Cremer

Wien - In Österreich ist die Autopsierate in den vergangenen 20 Jahren von 35 Prozent auf 17 Prozent zurückgegangen. "Der Rückgang an Autopsien reduziert die Qualität der offiziellen Suizidstatistik", so Nestor Kapusta von der Universitätsklinik für Psychoanalyse und Psychotherapie in einer Aussendung. Das zeigt auch eine von Kapusta geleitete Studie mit Daten aus 35 Ländern anhand der Suizidstatistik, die jetzt im US-Fachmagazin "Archives of General Psychiatry" veröffentlicht wurde.

Abnehmende Qualität der Suizidstatistik

In Österreich sterben jährlich 1.300 Menschen an Suizid, das sind doppelt so viele wie im Straßenverkehr ums Leben kommen. Die Dunkelziffer könnte aber steigen, da die Qualität der Suizidstatistik abnimmt. Daher schlagen Forscher der MedUni Wien anlässlich des Welttags der Suizidprävention am 10. September 2011 Alarm und fordern den dringenden Erhalt der hohen Qualität der Österreichischen Todesursachenstatistik und damit auch der Suizidstatistik.

Hohe Suizidraten durch hohen Autopsieraten

Statistisch gesehen begingen vor 25 Jahren insgesamt 2.139 EinwohnerInnen in Österreich Suizid, im Jahr 2010 waren es 1.261. Obwohl der Rückgang der Suizide auf bisherige Präventionsarbeit wie die Entwicklung des psychosozialen Systems und zunehmende Hilfsangebote zurückzuführen ist, legen die Ergebnisse der Studie nahe, dass die Dunkelziffer steigt. Kapusta: "In Ländern mit den höchsten Autopsieraten wie etwa im Baltikum oder in Ungarn ist die Suizidrate höher als in Ländern mit niedrigen Autopsieraten. Ebenso werden in Ländern, in denen Autopsieraten zurückgehen, auch zunehmend weniger Suizide verzeichnet."

Ungenaue Erfassung der Todesursache

Das Ergebnis der Studie ist ein Plädoyer für mehr Autopsien. "Österreich hatte im internationalen Vergleich immer eine hervorragende Qualität der Mortalitätsstatistik, aber Todesursachen werden immer ungenauer erfasst. Gerade bei älteren Menschen macht man nahezu überhaupt keine Autopsien mehr. Dies betrifft nicht nur Suizide, sondern alle Todesursachen. Vor dieser Entwicklung wird auch bereits in den USA gewarnt. "Dort sind nationale Suizidstatistiken bereits zweifelhaft niedrig, dafür scheint es eine Epidemie von Vergiftungen mit unklarer Intention zu geben, der so auch nicht zu trauen ist", so Kapusta.

Es stelle sich überhaupt die Frage, wie lange man den offiziellen Suizidstatistiken überhaupt noch trauen könne, so der Suizidforscher, der auch Mitglied im Vorstand der Österreichischen Gesellschaft für Suizidprävention ist. Denn nur mit qualitativ hochwertigen Basisdaten sei es möglich, eine bedarfsgerechte Gesundheitsplanung zu machen oder Präventionsprogramme wissenschaftlich verlässlich zu evaluieren.

Suizidprävention

In Österreich ist man dabei, nach internationalem Vorbild ein nationales Suizid-Präventionsprogramm zu entwickeln. Am 8. Juli 2011 wurde der Entschließungsantrag dazu im Parlament einstimmig beschlossen. Kapusta: "Eine entsprechende Koordination bestehender nationaler Ressourcen und wissenschaftlichen Wissens war seit langem nötig und wünschenswert." Das Programm zielt in die Richtung einer großflächige und dauerhafte Initiative zur Suizidprävention. (red)