Wien - Mitunter scheint der Zufall absichtlich: Am Dienstagvormittag lud die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) zu einem Festakt in den Prunksaal der Nationalbibliothek. Anlass war die kürzlich erfolgte Restitution von fünf Schiele-Zeichnungen aus der Albertina an die Erbin von Karl Mayländer, der 1941 nach Lodz deportiert worden war. Eine Stunde später wurde im Leopold Museum Tobias Natter als neuer Direktor ab 1. Oktober präsentiert. Auch hier ging es um Restitution.

Die IKG hatte den Prunksaal bewusst als Ort ausgewählt: Bereits im Mai 2009 gab die Nationalbibliothek ein in ihren Beständen wiederentdecktes Buch aus der Bibliothek Karl Mayländers an dessen Erbin, Eva Zirkl, zurück.

In einer Videoeinspielung bedankte sich die 90-jährige, in New York lebende Dame, die 1938 "in die Freiheit geschickt" worden war, für die Restitution der Schieles. Es sei ihr, sagte sie, nie um einen finanziellen Vorteil gegangen: Im Andenken an ihre bereits verstorbene Tochter Susan, die 1945 zur Welt kam, bringt sie die Werke in eine von ihr gegründete Stiftung für autistische Kinder ein.

Weitere fünf Schiele-Blätter aus der Sammlung Mayländer befinden sich im Leopold Museum. Sie waren, wie auch im Falle der Albertina, nach dem Weltkrieg von Etelka Hofmann verkauft worden. Diese war zwar eine enge Vertraute von Mayländer, aber nicht erbberechtigt. Die sogenannte Michalek-Kommission stufte daher die fünf Blätter bereits im November 2010 als restitutionswürdig ein.

Für Diethard Leopold, Sohn von Rudolf Leopold, kommt eine Restitution aber nicht in Frage. Tobias Natter, der neue Direktor, wollte im Gespräch mit dem Standard zum konkreten Fall nicht Stellung nehmen; er vertritt die Position des Vorstandes und spricht von "Lösungen" im Sinne des Washingtoner Abkommens. Aber im Fall Mayländer ist nicht einmal an einen Vergleich gedacht: Die Stiftung forderte die Erbin auf, zu bestätigen, dass sie keine Ansprüche stellen werde. (trenk, DER STANDARD - Printausgabe, 7. September 2011)