Genf/Wien - Die Weltgesundheitsorganisation steckt in einer Krise - finanziell und inhaltlich. Die UN-Organisation, der die Ausrottung der Pocken vor 31 Jahren gelang, sah sich in vergangenen Jahren mit schwerwiegenden Vorwürfen konfrontiert: Kritiker meinten, die Weltgesundheitshüter arbeiten der Pharmabranche in die Hand, als die WHO die Ausbreitung des H1N1-Virus 2009 zur Pandemie hinaufstufte. Die "Schweinegrippe" entpuppte sich letztlich als weniger aggressiv als "normale" Grippeviren, die Länder blieben später auf Millionen Dosen Impfstoff sitzen.

Ob es der Kampf gegen einen Grippevirus ist oder der Nichtraucherschutz: Experten bemängelten, dass nicht klar sei, wie WHO-Richtlinien zustande kommen. Andere warfen der UN-Organisation mit ihren 8000 Mitarbeitern in über 150 Ländern Ineffizienz vor.

Margaret Chan, seit 2006 Generaldirektorin, begann vergangenes Frühjahr mit Reformen. Die WHO wies die Vorwürfe, auf die Schweinegrippe überreagiert zu haben, vehement zurück. Im Umgang mit sich ausbreitenden Viren soll es dennoch Verbesserungen geben. Chan stellte zu diesem Zweck im April 2011 einen Rahmenplan zum verbesserten Austausch von Virenproben und Gendaten vor.

Die Organisation hat auch Finanzprobleme: 80 Prozent des Budgets seien an fixe Aufgaben gebunden, erklärt Andrew Cassels, verantwortlich für den Bereich Strategie in der WHO. Nur 20 Prozent seien demnach flexibel einsetzbar. Hinzu komme eine "finanzielle Krise". Demnach sei das Einkommen (2010 noch 2,3 Milliarden US-Dollar) unter die Ausgaben (2010: zwei Milliarden Dollar) gefallen. Hauptgrund sei, dass die Mitgliedsbeiträge in Dollar hereinkämen, die Ausgaben aber in Schweizer Franken zu tätigen seien, die gegenüber zum Dollar an Wert gewonnen haben. Generaldirektorin Chan kündigte an, Verwaltung und Management zu reformieren.

Mit den Veränderungen der Mammutorganisation wird sich kommenden November der Exekutivrat, bestehend aus 34 Mitgliedsstaaten, bei einer Sondersitzung beschäftigen - "um zu diskutieren, wie wir die Situation verbessern können", wie Cassels sagt. Kommenden Mai soll der detaillierte Reformplan bei der Generalversammlung vorgestellt werden.(Gudrun Springer, DER STANDARD; Printausgabe, 6.9.2011)