Bild nicht mehr verfügbar.

Paket geschnürt, Paket wieder aufgeschnürt: Italiens Finanzminister Giulio Tremonti doktert weiter eifrig am Sparpaket herum. So wurde die Sondersteuer für Reiche gestrichen.

Foto: AP/Riccardo De Luca

Die größte italienische Gewerkschaft ruft zum ersten Generalstreik gegen Premier Silvio Berlusconis Sparpaket. Und an den Märkten wächst wieder die Furcht vor einer Staatspleite.

***

Mailand - Zum ersten Mal seit der Verabschiedung der milliardenschweren Sparmaßnahmen der Regierung von Premier Silvio Berlusconi sind heute, Dienstag, massive Protestaktionen gegen die Kürzungen geplant. Die Gewerkschaft CGIL, mit ihren sechs Millionen Mitgliedern die stärkste Arbeitnehmerorganisation, ruft zu einem Generalstreik auf.

Die öffentlichen Verkehrsmittel werden von 9.00 bis 17.00 stillstehen. Betroffen sind zudem der Bahn- und Flugverkehr. Nach Angaben der italienischen Staatsbahnen wird der Streik die internationalen Bahnverbindungen zwar kaum betreffen. Die ÖBB meldet aber, dass mehrere Fernverkehrszüge auf der Strecke zwischen München und Verona am Innsbrucker Hauptbahnhof angehalten werden. Die Fluggesellschaft Alitalia gibt an, dass am Dienstag die Flüge von Rom nach Wien weiter vorgesehen sind.

Doch nicht nur politisch wird es für die Regierung in Rom zusehends ungemütlich. Auch die Märkte reagieren empfindlich auf das Kasperl-Theater, das die Regierung Berlusconi in punto Haushaltssanierung derzeit liefert. Am Montag ging der Index der Mailänder Börse um weitere 3,5 Prozent zurück. Auch die Zinsdifferenz zwischen Bundesanleihen und italienischen Staatspapieren kletterte um rund 30 Punkte auf über 360 Basispunkte. Dies ist der höchste Stand, seitdem die Europäische Zentralbank vor rund zwei Wochen begann, italienische und spanische Papiere zu kaufen.

Zickzackpolitik

"Die Interventionen der EZB sind keineswegs garantiert", meint Finanzanalyst Alessandro Giansanti von der Ing Bank. "Der Markt befürchtet, dass Rom die Mitte August gemachten Versprechungen zur Haushaltssicherung nicht einhalten wird."

Auch italienische Wirtschaftspolitiker befürchten Konsequenzen der Zickzackpolitik von Regierungschef Silvio Berlusconi. Denn das bereits Mitte August revidierte und von Brüssel und der EZB gutgeheißene Sparpaket sah Einsparungen von 45,5 Mrd. Euro vor, um 2013 den Haushaltsausgleich zu erreichen. Nachdem Berlusconi einen Großteil der im Sparpaket enthaltenen Maßnahmen, wie etwa die Sondersteuer für hohe Einkommensempfänger (ab 90.000 Euro jährlich), gestrichen hat, fehlen inzwischen sechs Milliarden Euro.

Die zur Diskussion stehende Vermögenssteuer oder die Erhöhung der Mehrwertsteuer wurden vom Regierungschef abgelehnt. Auch der noch vor wenigen Tagen propagierte Plan einer neuerlichen Steueramnestie wurde ad acta gelegt. Nun wird im Parlament diskutiert, dass durch den verschärften Kampf gegen die Steuerhinterziehung Mehreinnahmen erzielt werden sollen. "Seit zwanzig Jahren spricht man in Rom über ein energisches Vorgehen gegen die Steuersünder, bisher hat es kaum zu effizienten Maßnahmen gereicht", meint allerdings der Wirtschaftspolitiker Marco Vitale

Offensichtlich sind Premier Berlusconi die Stimmen seiner Wähler wichtiger als die Meinung der EU-Kommission in Brüssel. Auch Haushaltsminister Giulio Tremonti sitzt auf einem wackeligen Stuhl: Der Flop der Haushaltssanierung wird zusehends ihm zugeschrieben. (Thesy Kness-Bastaroli aus Mailand, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6.9.2011)