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Sam Auinger und "100.000 m3 bewegte Luft"

Foto: APA/EPA/RUBRA

Linz - Er ist ein Ort der Stille, ein Rückzugsgebiet, ein Raum für Gebet und Andacht: der Linzer Mariendom. Doch nicht in dieser Nacht. Sam Auinger, featured Artist des diesjährigen Ars-Electronica-Festivals, ist auf Heimatbesuch. Mit der komplexen Installation 100.000 m3 bewegte Luft servierte der in Berlin lebende Klang-Poet mit Stahlstadtwurzeln in der Nacht auf Samstag am Gabentisch des Herrn ein Klang-Menü der ganz besonderen Art.

Viele haben sich an diesem lauen Abend für eine Klangreise in Österreichs größter Kirche entschieden. Und sie werden nicht enttäuscht. Schon mit dem ersten Teil seiner Installation, "die Welt, in der wir leben", dringt Auinger sanft in die Gehörgänge vor.

Ein meditatives Brummen, zuerst leise, dann die eindringliche Steigerung zu einem Gurgeln. Langsam nähert sich das Ohr dem Alltag. Plötzlich ein Hubschrauber, der durch die 134,80 Meter hohe Kirche zu kreisen scheint. Unweigerlich wandern die Blicke in die Kuppel des Doms.

Dann wieder Entspannung. So nah scheint plötzlich der letzte Mittelmeer-Urlaub - dem digitalisierten Zirpen der Grillen sei's gedankt. Ein bedrohlich surrender Wespenschwarm im Kirchenschiff verdrängt die Kollegen aus der Welt der Insekten. Es bahnt sich wieder Unruhe an. Vorwiegend technische Klänge vermessen jetzt den Raum: tiefe Resonanzen des Stadtverkehrs in Salzburg, ein fahrendes Auto in New York, Klimaanlagen und Stromfrequenzen aus Linz. Die Besucher stehen da schon voll im Bann der Töne. Auinger belebt den Raum neu, reizt die Akustik aus, spielt mit der Architektur und dem Gehör.

"Seit ich den Dom kenne, hat mich seine Atmosphäre in Mächtigkeit, architektonischer Form, Proportion und klanglichem Ausdruck fasziniert", erzählt Auinger im Standard-Gespräch. Er habe sich mit der Installation "quasi einen Kindheitstraum" erfüllt: "Es ist etwas ganz Besonderes in der Stadt, aus der ich komme, in der ich meine ersten künstlerischen Erfahrungen gemacht habe, ein so großes Projekt zu realisieren."

Klänge seien für ihn schon immer "wichtig und interessant" gewesen: "Als Kind war mein liebstes Spielzeug ein Eisenstange, mit der man gut lärmen und den Klang diverser Materialien erforschen konnte." Und wann wird Klang zu Lärm? Sam Auinger: "Wie für jeden Menschen ist auch für mich Lärm unerwünschter Klang. Es gelingt mir aber meist sehr leicht, in jedem Klangereignis etwas Interessantes zu finden."  (Markus Rohrhofer / DER STANDARD, Printausgabe, 5. 9. 2011)