"B" könnte auch für "Bestrafung" stehen: Der "Plan B" tritt in Kraft, sollte sich Israel nicht formell für die Erschießung von neun türkischen Aktivisten beim Sturm auf die Gaza-Hilfsflotte im Mai 2010 entschuldigen, hatte die türkische Regierung schon vor Wochen angekündigt. Die Situation ist nun eingetreten: Noch diese Woche will Ankara beim Internationalen Gerichtshof Klage gegen Israel einreichen.

Außenminister Ahmet Davutoglu ging bei der Vorstellung seines Strafkatalogs noch weiter: "Die freie Schifffahrt im östlichen Mittelmeer wird gesichert." - Eine indirekte Drohung gegen Israel mit militärischen Schritten. Noch in den nächsten Tagen wird eine Verstärkung der Präsenz der türkischen Marine erwartet. Davutoglu sprach von der "Route Iskenderun-Suez", der östlichen Hafenstadt der Türkei am Mittelmeer bis zum Kanal ins Rote Meer.

Ankara bei UN für Palästina

In Ankara ist die Verärgerung groß über den am Freitag vorgelegten UN-Bericht zur Gaza-Hilfsflotte. Die Folgerungen der Kommission, die vom neuseeländischen Expremier Geoffrey Palmer geleitet wurde, seien nicht bindend, erklärte Davutoglu am Wochenende, Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag aber sehr wohl. Die Türkei will dort gegen Israels Seeblockade des Gazastreifens klagen, die auch der Grund für den gewaltsamen Stopp der Gaza-Hilfsflotte war. Rechtliche Schritte gegen Israels Militär würden folgen. Bis Mittwoch muss Botschafter Gabriel Levy auch das Land verlassen.

Die Türkei will Israel auch mit diplomatischen Initiativen bestrafen. Bei der UN-Vollversammlung noch im September wird sie für den Antrag der Palästinenser auf staatliche Anerkennung werben. Washington bemüht sich in einem letzten Kraftakt, eine Reihe von Staaten von einer solchen Unterstützung abzubringen und verspricht neue Friedensverhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern. Der türkische Premier Tayyip Erdogan könnte zur selben Zeit der neuen Führung in Kairo einen Besuch abstatten und dann weiter nach Gaza reisen. Ein Solidaritätsbesuch bei der Hamas würde mehr als alles andere in den letzten Jahren den politischen Kurswechsel der Türkei hin zum Fürsprecher der arabischen Bevölkerung demonstrieren. (Markus Bernath aus Istanbul/DER STANDARD, Printausgabe, 5.9.2011)