Segler wissen es: Viel Wind und stürmische See steigern die Attraktivität eines sicheren Hafens mit seinen Versprechungen von Schutz und Stabilität deutlich. Die längerfristig angelegte Beschäftigung in Organisationen scheint in der Wahrnehmung von Absolventen wirtschaftswissenschaftlicher Studiengänge ein solcher Hafen zu sein.

Gefragt nach der Attraktivität der klassischen Organisationswelt, zeigen sich 1970, 1990, 2000 und 2010 deutliche Unterschiede. Zwischen 1970 und 1990 verliert das Karrierefeld 'Organisationswelt' bei den jeweiligen Absolventen deutlich an Reiz. Dann allerdings kommt es zu einer Trendumkehr. Die Welt der Organisationen gewinnt seit 1990 stetig an Anziehungskraft und erreicht 2010 im vierzigjährigen Vergleich einen neuen Höchststand.

Korrespondierend das Bild in anderen idealtypischen Karrierefeldern. Verglichen mit den Höchstständen 1990/2000 ist die Attraktivität von "free floating professionalism", also Tätigkeit für unterschiedliche Organisationen, und von "chronischer Flexibilität" mit wechselnden Jobs durch Nutzung unterschiedlicher Kompetenzen bei den Mitgliedern der 2010-Kohorte deutlich gesunken.

Size matters

Zu Recht? Zum einen wissen wir aus der Forschung, dass die Mortalitätsrate von Organisationen negativ mit der Organisationsgröße zusammenhängt. Größere Organisationen "sterben" seltener - size matters. Wir wissen aber auch, dass die Welt der Organisationen eine ist, in der individuelles Talent und persönliche Leistung allenfalls eine unter vielen Determinanten des eigenen Wohl und Wehe ist - vielfach ist man ohnmächtig. Genauso wissen Segler, dass es hin und wieder im scheinbar sicheren Hafen dann gefährlich wird, wenn etwas schiefgeht. Die Zeit zum Reagieren ist kurz, der ungewollte Landfall, die Kollision mit anderen dann fast unvermeidlich.

Das gibt auch hier zu denken: Ist das Feld der "company world" tatsächlich mit weniger Unsicherheit behaftet? Bietet es Schutz inmitten der turbulenten Umwelt? Oder ist das eher ein Fortschreiben relativ traditioneller Organisationsbilder, welche auf der Vorstellung eines langfristigen, relationalen, d. h. primär auf wechselseitigen (Loyalitäts-)Beziehungen basierenden psychologischen Vertrags fußen, der so heute eher die Ausnahme als die Regel darstellt?

Wäre es nicht umgekehrt gerade in turbulenten Umwelten "sicherer", sich ohne allzu große Bindung an eine Organisation im Vertrauen auf das eigene Kompetenzportfolio die jeweils passende Beschäftigungskonfiguration zu suchen? Oder ist das wiederum der zwar populäre, aber so nicht zutreffende Lobgesang individueller Akteurshoheit, die angesichts dramatischer Umweltveränderungen scheitern muss? In der Wahrnehmung der Betroffenen scheint jedenfalls der sichere Hafen die dominierende Metapher zu sein, die andere Aspekte überstrahlt. (Wolfgang Mayrhofer, DER STANDARD, Printausgabe, 3./4.9.2011)