Gustav Klimt Seeufer mit Birken, 1901, Öl auf Leinwand, 90 x 90 cm

Foto: Alfred Weidinger

Die Infrarot-Aufnahme des Malgrundes offenbart die Vorzeichnung.

Foto: Der Standard/Alfred Weidinger

 Klimt malte im August 1901 das "Seeufer mit Birken", ein halbes Jahr später war das Gemälde in der Secession zu sehen - im Foto  ganz rechts.

Foto: Weidinger

Nun tauchte es wieder auf: Klimt-Experte Alfred Weidinger spricht von einer Sensation.

Wien/Amsterdam – Vor vier Jahren, 2007, erschien bei Prestel ein wahrer Prachtband: Gustav Klimt. Kommentiertes Gesamtverzeichnis des malerischen Werkes, herausgegeben von Alfred Weidinger, dem Vizedirektor des Belvedere. In diesem finden sich natürlich zahlreiche Landschaftsbilder, die Klimt gemalt hatte, aber just nicht jenes, das eine Niederländerin bei sich zu Hause hängen hatte.

War das Gemälde, das ein Seeufer mit Birken zeigt, am Ende gar nicht von Klimt? Vorfahren der Dame, das Ehepaar Richard und Klara Koenigs-Bunge, hatten es angeblich 1902 in Düsseldorf aus einer Ausstellung gekauft. Die Dame wollte Gewissheit – und kontaktierte im Mai Weidinger.

Der Klimt-Spezialist machte sich daraufhin auf Spurensuche. Er wurde fündig: Im August 1901 schrieb der Maler aus Litzlberg am Attersee an seine Freundin Marie Zimmermann, dass er "mehrere Landschaften", darunter ein rotes Bauernhaus, eine Baumgruppe im Schatten mit sonnenbeleuchteter Wiese und eben ein Seeufer „in Arbeit“ habe. Doch um eine Expertise abgeben zu können, müsse er, antwortete Weidinger, das Bild sehen bzw. mit seiner selbstkonstruierten Infrarot-Kamera, die den Malgrund sichtbar macht, fotografieren. Danach hörte er zu seinem Bedauern nichts mehr.

Überraschenderweise meldete sich am Mittwoch eine Kunstspedition: Man habe aus Holland ein Bild für ihn. Weidinger öffnete die Kiste und war sogleich, wie er erzählt, bewegt: „Es ist meiner Ansicht nach zwar nur gute Qualität, als Fund aber eine Sensation.“ Die Infrarotaufnahme bestätigte die Vermutung: „Die Vorzeichnung auf der Leinwand ist charakteristisch für Gustav Klimt.“

Zudem fand Weidinger ein Foto von der XIII. Ausstellung der Vereinigung bildender Künstler, die im Februar/März 1902 in der Secession zu sehen war: Ganz rechts, als Teil eines Triptychons, ist eindeutig das Seeufer-Bild zu erkennen. Warum es von den Fachleuten nicht registriert wurde, hat einen recht simplen Grund: Die Zeitschrift Ver Sacrum illustrierte den Bericht über die Ausstellung zwar mit besagtem Foto, aber man hatte dieses rechts beschnitten.

Weidinger spricht auch noch aus anderen Gründen von einem "besonderen Glücksfall". Erstens, weil er das Gemälde in seinen aktualisierten Klimt-Werkkatalog aufnehmen kann, der heuer bei Random House erscheinen wird. Und zweitens, weil im kommenden Jahr der 150. Geburtstag des Malerfürsten gefeiert wird. Das Jubiläumsjahr läutet das Belvedere am 25. Oktober mit der Eröffnung der von Weidinger kuratierten Schau Gustav Klimt / Josef Hoffmann: Pioniere der Moderne ein.

Zu sehen sein wird u.a. das Porträt Marie Henneberg. Dieses bildete in der Secessions-Ausstellung 1902 das Mittelstück des Triptychons – damals noch im unfertigen Zustand. Weidinger hofft, das Bildnis in der Ausstellung im Unteren Belvedere durch das Seeufer-Bild ergänzen zu können.

Am liebsten würde er natürlich das gesamte Triptychon – alle drei Bilder wurden von Hoffmann gerahmt – zeigen. Aber das linke Landschaftsgemälde ist nach wie vor verschollen. Hat Klimt, was öfter vorkam, es übermalt? Oder hat er die Malschicht abgekratzt? Oder hängt es irgendwo? Weidinger wäre für Hinweise dankbar.  (Thomas Trenkler  / DER STANDARD, Printausgabe, 3./4. 9. 2011)