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Im Mai 2010 stürmte ein israelisches Kommando die Mavi Marmara, das Flaggschiff der Gaza-Hilfsflottille. Dabei kamen neun Menschen ums Leben (Archivbild: Dezember 2010 in Istanbul).

Foto: dapd/Ozbilici

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31. Mai 2010: Ultraorthodoxe Juden beobachteten aus dem Hafen von Ashdod aus, wie die Mavi Marmara, die Teil der Gaza-Flotille war, eskortiert wird.

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New York/Ankara/Jerusalem - Die Türkei stuft wegen des Konflikts um die israelische Militäraktion gegen die Gaza-Hilfsflotte im Mai 2010 - damals kamen neun Menschen ums Leben - ihre diplomatischen Beziehungen zu Israel herab. Israels Botschafter in der Türkei wurde ausgewiesen. Auslöser ist ein neuer UN-Bericht, der zwar die Gewaltanwendung des israelischen Militärs an Bord des Schiffes Mavi Marmara verurteilt, aber dennoch das Aufbringen der vornehmlich türkischen Flotte als legal bezeichnet.

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New York / Ankara - Die Antwort kam ebenso schnell wie hart. Verärgert über die vorzeitige Veröffentlichung des UN-Berichts zum Sturm auf die Gaza-Hilfsflotte im vergangenen Jahr in der New York Times brach der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu am Freitag seine Europareise ab und kehrte nach Ankara zurück, um "Strafmaßnahmen" gegen Israel zu verkünden, unter anderem die Ausweisung von Botschafter Gabriel Levi. "Sie müssen begreifen, dass der Weg zum Frieden nicht über die Ermordung von Bürgern eines befreundeten Landes führt" , sagte Davutoglu. "Die Zeit ist für Israel gekommen, um für seine Haltung zu zahlen."

Beim Sturm eines israelischen Einsatzkommandos auf das Flaggschiff der Gaza-Hilfsflotte, das türkische Fährschiff Mavi Marmara, im Mai 2010 waren acht türkische Aktivisten und ein US-türkischer Bürger erschossen worden. Die Gewaltanwendung des israelischen Militärs sei unverhältnismäßig und unvernünftig gewesen, stellte der Bericht der Untersuchungskommission unter Leitung des früheren neuseeländischen Premiers Geoffrey Palmer fest. Forensische Daten hätten gezeigt, dass die Aktivisten mehrfach von Kugeln getroffen worden waren. Gleichzeitig erklärte Palmer aber den Einsatz der Armee und Israels Blockade des Gazastreifens für rechtmäßig. Die New York Times hatte den Bericht noch vor der offiziellen Veröffentlichung am Freitag erhalten.

Ankara bezeichnete den Palmer-Report als enttäuschend. Die Veröffentlichung des Berichts war auf Drängen Israels mehrfach verschoben worden, um den Streit mit der Türkei zu entschärfen. Ankara verlangt eine Entschuldigung Israels, Entschädigungszahlungen und ein Ende der 2009 verhängten Seeblockade gegen den Gazastreifen, wo die radikale Palästinensergruppe Hamas regiert. Gespräche über eine türkisch-israelische Erklärung, die gemeinsam mit dem UN-Bericht veröffentlicht werden und eine Entschuldigung enthalten sollte, scheiterten jedoch offenbar am Widerstand von Israels rechtsgerichtetem Außenminister Avigdor Lieberman und Sicherheitsminister Moshe Yalon.

Ankara stufte nun die diplomatischen Beziehungen auf die Ebene des zweiten Sekretärs herunter. Die Türkei hatte zuletzt nur einen Geschäftsträger in Tel Aviv; auch er wird abgezogen. Alle Militärabkommen mit Israel würden ausgesetzt, erklärte Davutoglu. Der Außenminister kündigte zudem nicht weiter spezifizierte Maßnahmen und den Gang vor den Internationalen Gerichtshof in Den Haag an. Von einem Besuch des türkischen Premiers Tayyip Erdogan in Gaza als Revanche für die versagte Entschuldigung Israels war zunächst nicht die Rede. Politische Beobachter in Ankara erwarteten aber nun einen solchen politisch folgenschweren Schritt.

Die israelisch-türkischen Beziehungen galten lange als Eckpfeiler der regionalen Sicherheit, verloren aber seit dem Antritt von Erdogans konservativ-muslimischer Regierung 2002 an Bedeutung. (Markus Bernath/DER STANDARD, Printausgabe, 3.9.2011)