Shabazz Palaces - Black Up (Sub Pop / Trost)

Foto: Sub Pop

Aus Seattle stammen zwar Jimi Hendrix oder Michael-Jackson-Produzent Quincy Jones oder auch der genialische Saubartel-Rapper und -Funker Sir Mix-A-Lot. Ansonsten assoziiert man mit Seattle wohl eher tote oder noch lebende weiße Schmerzensmänner wie Kurt Cobain, Eddie Vedder und natürlich das mit Grunge-Rock berühmt gewordene Sub-Pop-Label. Dieses erweiterte in den letzten Jahren sein stilistisches Spektrum zwar Richtung eher weniger dringliche Spielarten von Rock unter besonderer Berücksichtigung von Stadtflucht, Vollbart und Neohippietum. Es schaute zwischendurch auch schon bei elektronischer ausgerichteten Nischenbands vorbei. HipHop war allerdings definitiv nicht das Hauptanliegen von Sub Pop. Mit Black Up, dem Debüt von Shabazz Palaces, macht man eine große Ausnahme.

Hinter dem Projekt und hinter reichlich hybrid-mythologischem Klimbim, das sich auf afrikanische Geschichte ebenso bezieht wie auf Science-Fiction-Versatzstücke, verbirgt sich ein gewisser Ishmael Butler. Anfang der 1990er-Jahre, während in seiner Heimatstadt Seattle der Grunge-Rock Richtung Welterfolg zu rocken begann, war er in New York tatsächlich ein Star mit fetten Verkaufszahlen. Mit seiner Crew Digable Planets und dem Hit Rebirth Of Slick (Cool Like Dat) und dem Album Reachin' (A New Refutation Of Time And Space) formte er auf Grundlage alter Jazz-Samples eine zurückgelehnte Form von HipHop, die damals auch Acts wie Gurus Jazzmatazz, De La Soul oder US3 oder A Tribe Called Quest in die Charts spülte, trotz der oft politisch kodierten Texte bald jedoch als internationaler Soundtrack zum Cocktailschlürfen missbraucht wurde.

Geschult an der Plattensammlung seines Vaters, eines Geschichteprofessors an der Universität von Virginia, basierte die besagte Single Rebirth Of Slick nicht nur auf einem Sample des Titels Stretching von Art Blakey And The Jazz Messengers. Sie kletterte 1993 immerhin bis auf Platz 15 der US-amerikanischen Verkaufshitparade, und das dazugehörige Album wurde mit Platin ausgezeichnet, was damals tatsächlich exorbitante Verkäufe bedeutete. Ishmael Butler bezog sich auch auf Afrofuturisten wie Sun Ra oder revolutionäre Sounds von Pharaoh Sanders oder Jalal Mansur Nuriddin und dessen künstlerisch wie politisch radikaler Spoken-Word-Gruppe Last Poets.

Blowout Comb, das zweite Album der Digable Planets, machte dann Schluss mit der Jazzgemütlichkeit bekömmlich rollender Beats und verschlurfter Kontrabassläufe. Sperriger und reduktionistischer gilt es bis heute als eines der zentralen HipHop-Statements dieser Ära.

1996 lösten sich die Digable Planets auf. Ishmael Butler zog von New York zurück nach Seattle. Nach langer Pause und ersten Veröffentlichungen unter dem neuen Namen Shabazz Palaces kommt Black Up doch überraschend.

Noch radikaler als zuvor reduziert Butler mit seinem Partner, dem aus seiner Nachbarschaft stammenden Musiker und Heimstudiobesitzer Tendai Maraire, die gute alte Jazzsynkopen-Reiterei bis auf das Skelett. Bevor sich in die Beats und Bassmotive auch nur ansatzweise eine mögliche Tanzbarkeit einschleichen könnte, fährt auch schon der Laptop mit der Häckselfunktion drüber. Die cool-emotionslosen Raps werden elektronisch verzerrt, gedehnt, ins Bassloch um eine Oktave nach unten gezogen. Achtung: Die Strophe-Refrain-Unterscheidung ist aufgehoben. Industrielle Lärmeinschübe, akustische Nebelschwaden zum Gruseln und Fürchten bilden ein wesentliches Merkmal der Tracks. Es entsteht auf diesem Album trotz aller zeitweilig beängstigenden Endzeitatmosphäre dennoch nie das Gefühl von Klaustrophobie und Beklemmung. Im entscheidenden Moment wirft Butler einen zumindest zum Fingerschnippen geeigneten Track dazwischen. Eines der außergewöhnlichsten HipHop-Alben seit langer Zeit.  (Christian Schachinger/ DER STANDARD, Printausgabe, 2.9.2011)