Will das Heft nicht aus der Hand geben: Günther Paal.

Foto: Robert Peres

Seine recht kompromisslose Art, Kabarett zu machen, erklärt er Thomas Trenkler.

STANDARD: Über Ihr Leben geben Sie wenig preis. Warum eigentlich?

Paal: Ich verlange von einem Kunstwerk, dass ich es verstehen können muss, ohne die Biografie des Künstlers zu kennen. Mein Leben ist daher wurscht.

STANDARD: Inwiefern deckt sich Günther Paal mit Gunkl?

Paal: Das ist kongruent. Mein Bruder, zwei Jahre älter, konnte als Kind noch nicht unfallfrei Günther aussprechen. Deshalb ist daraus Gunki geworden. Später arbeitete ich im Kleinen Café. Und dort gab es einen anderen Günther. Damit es nicht zwei Günther gibt - das Café ist ja nicht die Werkskantine von Siemens - habe ich auf den Gunki zurückgegriffen und den Namen dediminuiert.

STANDARD: Später arbeiteten Sie im Café Stein und im Roten Engel. Wie wurden Sie Kabarettist?

Paal: Eigentlich lernte ich Reproduktionsfotografie. Das kann heute jeder 80-Euro-Scanner. Dann brach ich ein Studium ab und arbeitete zwölf Jahre als Kellner. Nebenbei spielte ich Saxofon beim Wiener Wunder. Alfred Dorfer brauchte für sein Programm Alles Gute drei Musiker. Wir machten mit. Ich dachte mir: "Das kann ich auch." Dass es aber wirklich dazu kam, war zufällig. Der Chef der Kulisse fragte mich, ob es stimmt, dass ich ein Soloprogramm geschrieben habe. Ich sagte ihm: "Bald hab ich es."

STANDARD: Wie lange brauchen Sie, um ein Programm zu schreiben?

Paal: Mittlerweile schon drei, vier Monate, weil ich den Anspruch habe, Aussagen über größere Themen abzugeben, nun eben über Die großen Kränkungen der Menschheit. Und diese Themen werden, weil ich mich nicht wiederholen will, immer rarer.

STANDARD: Sie verzichten auf Vorpremieren. Warum?

Paal: Ich denke mir: Eine Premiere soll eine Premiere sein. Dass man etwas das erste Mal vor Publikum spielt. Worum es geht, ist in meinem Kopf. Und von dort muss es jederzeit abrufbar sein. Dafür brauche ich keine Vorpremiere.

STANDARD: Viele Ihrer Kollegen testen, ob die Witze auch ankommen.

Paal: Das ist für mich kein Kriterium. Ich sage, was ich sagen will - und nicht das, was ich den Menschen unterstelle, das sie hören wollen. Auch wenn es nur Kleinkunst ist, gibt es eine Verpflichtung: Dass man das sagt, wovon man überzeugt ist. Wer etwas zu sagen hat, darf auf eine Kleinkunstbühne. Wer nichts zu sagen hat, muss auf eine Theaterbühne. Dort gibt es genügend kluge Texte, die halt jemand anderer geschrieben hat.

STANDARD: Sie machen - außer der Pause - keine Zugeständnisse?

Paal: Ganz so ist es natürlich nicht. Nie Zugeständnisse mache ich bei meiner Reihe Tip des Tages auf meiner Homepage gunkl.at: Ich genieße es, das Reindl auszukratzen, bis das Email spritzt. Aber auf der Bühne gibt es die Verpflichtung, dass die Leute dem, was ich sage, folgen können müssen. Nur Drauflosdreschen: Das wird nicht gehen. Wo es geboten ist, versuche ich die Gedanken mit Beispielen aufzulockern. Nicht um Zeit zu schinden, sondern um die Sache anschaulich zu machen.

STANDARD: Sie reden aber in einer Tour - ohne Unterbrechung.

Paal: Das ist wichtig: dass der, der auf der Bühne steht, das Heft in der Hand hat. Er darf nicht davon abhängig sein, was das Publikum macht. Ich lehne es daher ab, dass man auf der Bühne ein Glas Wasser stehen hat, an überdeutlich inszenierten Stellen einen Schluck nimmt, um einer Wuchtel, die abgestürzt ist, eine Reanimation zuteil werden zu lassen, also um dem Publikum zufällig eine Pause einzuräumen: "Oh, ja, jetzt können wir, jetzt müssen wir applaudieren, denn das war jetzt ein ganz toller Gedanke." Ich denke mir: Wenn ein Gedanke nicht so toll ist, dass man ihn als solchen erkennt, dann soll man nicht nachstierln.

STANDARD: Sie stehen wie angewurzelt. Den Raum zu erobern kommt Ihnen nicht in den Sinn?

Paal: Oh doch: Ich erobere die Bühne ideell. Indem ich mich in die Mitte stelle. Die schiere Existenz genügt, dass der gesamte Bereich mir gehört. Ich beanspruche ihn durchs Dasein - und nicht durchs Draufherumsteigen. Das Dasein muss genügen. Das ist vom Anspruch her natürlich ein bissl größenwahnsinnig.

STANDARD: Verzichten Sie daher auch auf einen schwarzen Tisch?

Paal: Ja. In der Regel wird eine solche Requisitenanforderung von den Veranstaltern nicht erfüllt. Unglaublich, was da alles als schwarz gilt! Und es gibt Tische, die sind nicht neutral: Sie transportieren die Sommerfrische oder sonst was mit. Aus dieser Not habe ich eine Tugend gemacht: Ich kann meine Programme auf der Größe eines Handtüchls unter einer 100er-Birne spielen. (Thomas Trenkler, DER STANDARD - Printausgabe, 1. September 2011)