Woher die burmesischen Wirtshausmöbel kommen, lässt sich nur vermuten. Ein gerissener chinesischer Spielwarenvertreter muss es geschafft haben, der burmesischen Junta mehrere Lagerhallen voll Kindermöbel aus buntem Plastik anzudrehen. Seither füllen sie sämtliche Gastgärten und Gehsteige (was meist das selbe ist) des Landes mit Farbe.
Fett hält Essen fit - meist
Mittags wird dort Curry verspeist, des Burmesen Nationalgericht, und eher indisch als thai interpretiert. Frühmorgens rühren die Frauen sie im Kessel über offenem Feuer zusammen, den Rest des Tages reifen sie in der Hitze nach. Eine dicke Fettschicht an der Oberfläche soll das Fleisch davor bewahren, zu verderben. Das klingt vernünftig, funktioniert aber leider nicht immer.
Eine Portion sind meist drei kleine Stücke Fleisch und reichlich fette Sauce. Was satt macht, sind die Beilagen. Sie kommen unbestellt und in großen Mengen - ein Segen bei Sprachbarrieren.
Gärende Teeblätter
Beliebt: Tomatensalat mit Chilli, geschmorte Okraschoten, getrocknete Fische, Bohnen oder Wasserkresse, dazu rohe Gurken, Melanzanie und Kräuter, die in eine scharfe Sauce aus Trockenfisch getunkt werden. Immer dabei: Fischsuppe mit Wasserkresse oder Bambussprossen, von der viele nur den Sud löffeln. Wer einmal erfolglos auf der grasigen Kresse gekaut hat, weiss warum.
Das Beste kommt zum Schluss: Der fermentierte Teeblattsalat. Teeblätter werden dafür dampfgegart und dürfen einige Tage in vergrabenen Körben vor sich hin gären. Dann werden sie mit Chilli, Sesam und Öl angereichert und mit gerösteten Erdnüssen, gehacktem Kraut und Gewürzen zum selber abmischen serviert - seltsam, delikat, schwer nachzukochen.
Tee aus der Untertasse
Vor und nach dem Mittagessen sitzen die Burmesen auf ihren Plastikmöbeln in Teehäusern und schlürfen Instant-Cafe oder Tee von ihrer Untertasse, auf die sie das Gesöff zuvor aus der Tasse gegossen haben. Wer einen Drink bestellt, bekommt automatisch Frittiertes mitgeliefert - Frühlingsrollen und Germkrapfen. Den hungrigen Touristen erfreut zwischendurch der unreife Mangosalat, den Frauen an kleinen Ständen verkaufen. Wer ihn länger genießen möchte, sollte mit Einheimischen nicht über rohes Obst und Würmer sprechen.
Sobald es dunkel wird, stellen Männer in Ruderleibchen verostete Kohlekisten mit Gittern auf die Straße und grillen für die nächsten Stunden alles, was ihre Gäste ihnen in kleinen Plastikkörben reichen: Fische (gern Karpfen, oft schlammig), scharf marinierte Ziegenspiese, Zwergkartoffeln oder Okraschoten. Daneben mischen die Frauen bunte Nudeln, schwarze Pilze und geschnippseltes Gemüse zu einem Salat oder kochen es in scharfer Suppe auf.
Ratte und Stroganoff
Was Rang, Namen oder ausländische Devisen hat, geht abends aber ins Chinarestaurant - zumal diese verlässlich an jenen Stellen stehen, die als romantisch gelten. Kein Flussufer, kein See im Park, an dem sich bei Sonnenuntergang nicht eines finden lässt.
Die Speisekarte der Nobelchinesen erinnert in Umfang und Inhalt meist an eine Mischung aus Meyers großem Tierlexikon und einem Weltatlas. Neben für Europäer Experimentalem („Fried Rat") gibt es Ente süßsauer, Kokoscurry mit Huhn, Pommes Frites und Boef Stroganoff. Oft schmeckt es wie Nachmittags am All you can eat Buffett in Floridsdorf und kostet zwischen 15 und 20 Euro - mehr, als des gemeinen Burmesen Wochenlohn.
What you read is not what you get
Das üppige Angebot entpuppt sich zudem oft als Täuschung: Wer im Landesinneren ganz Speisekartenkonform Shrimps in Kokosmilch bestellt, wird höflich belehrt, dass das Shrimp ein Meerestier ist, und daher hier keinesfalls zu bekommen.