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Amr Mussa, Exchef der Arabischen Liga, will Ägyptens Präsident werden. 

Foto: Reuters/Dalsh

"Wir steuern in Syrien auf den Punkt zu, ab dem es kein Zurück mehr gibt", sagt Amr Mussa, früherer Generalsekretär der Arabischen Liga (AL) und nun ägyptischer Präsidentschaftskandidat. "Gewalt kann den Wandel nicht stoppen", setzt er im Gespräch mit dem Standard fort. "Unsere Bürger haben die traditionellen Regimes und Diktaturen satt."

Seine Botschaft und die der arabischen Partner an den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad sei daher klar: "Die Zeit läuft ab. Je mehr Blut vergossen wird, umso unmöglicher wird es, zu einem Weg der Versöhnung zu finden." Und: "Er hat nur noch eine kleine Chance. Ich hoffe, dass Bashar realisiert, dass dies ein historischer Prozess ist." Die Gewalt müsse von der syrischen Regierung unmittelbar gestoppt werden, "das ist keine Frage von Wochen, es muss sofort geschehen!" Mussa zeigt sich überzeugt davon, dass dieser "historische Trend", der in Tunesien und Ägypten zu Jahresanfang explosiv sichtbar wurde, inzwischen "unumkehrbar ist".

Unterdessen verschärfte die EU ihre Gangart gegen Damaskus und verhängte ein Öl-Embargo.

"Neue Ära für Libyen"

Mussa war während des Arabischen Frühlings als AL-Generalsekretär unmittelbar in die Gespräche mit den Machthabern involviert. Über den libyschen "Colonel Gaddafi", den er gut kennt, sagt er: "Er hat in der Illusion gelebt, dass die Leute wirklich glauben, was er sagt. Nun ist es vorbei. Wir können erwarten, dass auch in Libyen in den nächsten Wochen eine völlig neue Ära beginnen wird."

Muammar al-Gaddafi sei nicht anders als die übrigen Machthaber in diesem Raum, die im Denken der 1960er- und 1970er-Jahre stecken geblieben seien: "Die Welt ist völlig anders geworden, die jungen Menschen sind ganz anders. Das war der Fehler der Machthaber, dass sie das nicht realisiert haben." Mussa hofft, dass nicht noch mehr Blut fließt; der Diktator müsse der Justiz zugeführt werden.

Der Wandel sei in der arabischen Welt "das Gebot der Stunde", wobei es "in Richtung dessen gehe, was wir Demokratie nennen" - wie in seinem Heimatland Ägypten. "Ob diese Entwicklung langsam geht oder schnell, das müssen wir erst sehen", meint er, aber die Richtung sei - zumindest in Ägypten - vorgegeben.

Mussa strebt selbst das Amt des ersten frei gewählten Präsidenten Ägyptens nach dem Umsturz an ("Ja, ich kandidiere, meine Chancen stehen 50:50."). Die Wahl dürfte Anfang 2012 stattfinden, zuvor soll im November das Parlament gewählt und eine Verfassung verabschiedet werden. "Ich trete dafür ein, dass es einen starken Präsidenten gibt", sagt Mussa. Dieser müsse vor allem die Stabilität des Landes gewährleisten, wenn der militärische Übergangsrat die Macht übergibt. Die Angst vor dem Aufkommen radikaler Parteien und Islamisten im neuen ägyptischen Parlament teilt Mussa nicht: "Ich sage voraus, dass es eher eine schwache Regierung geben wird, keine dominierende Mehrheitspartei mehr, sondern kleinere Parteien, die brüchige Koalitionen bilden werden."

Neuanfang mit Israel

Sollte er Präsident werden, so will Mussa mit Israel einen Neuanfang suchen, jedoch nicht im Alleingang, sondern nur im arabischen Verbund. Man müsse "endlich Lösungen finden", vor allem für die Palästinenser, "nicht in einem endlosen Prozess verharren". Den Friedensvertrag mit Israel werde Ägypten nicht infrage stellen: "Verträge müssen eingehalten werden." (Thomas Mayer aus Alpbach/DER STANDARD, Printausgabe, 30.8.2011)