Werner Doralt: "Ich habe das Gefühl,da hat jemand einen Vorschlag gemacht und die Politiker stürzen sich darauf, weil ihnen das so gut gefällt und sehen die Probleme, die dahinterstehen, nicht."

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derStandard.at: Wir führen in Österreich wieder einmal die Diskussion um eine Vermögenssteuer. Was könnte eine solche bringen?

Werner Doralt: In Wahrheit stellt sich nicht die Frage, ob die Vermögenssteuer politisch sinnvoll ist oder nicht. Sie ist mit dem heutigen Apparat der Finanzverwaltung gar nicht exekutierbar, weil wir die Beamten nicht haben. Man müsste entsprechende Einrichtungen in der Finanzverwaltung neu aufbauen. Die Alternative wäre, dass man die Vermögenssteuer zu einer Selbstbemessungsabgabe macht. Dann frage ich mich aber, was wollen wir alles besteuern. Wollen wir den Schmuck besteuern, das Diamantendiadem der Bankdirektorengattin? Ich nehme an ja. Was ist mit dem PKW, der fünf Jahre alt ist. Wer soll das schätzen? Das ist sehr schwer durchführbar, alleine deswegen halte ich das für sehr unrealistisch.

derStandard.at: Also keine Vermögensteuer aufgrund von Undurchführbarkeit?

Doralt: Das einzige, was man packen kann, ist der Grundbesitz. Die Einkommenssteuer und Umsatzsteuer etc. valorisieren sich automatisch mit der Geldentwertung, bei der Grundsteuer haben wir heute den Einheitswert, der seit 30 Jahren unverändert ist. Sie war vor 30 Jahren eine Bagatellsteuer und ist heute eine noch kleinere Bagatellsteuer geworden.

derStandard.at: Diese Diskussion ist ja heuer wieder einmal im Sand verlaufen. Die ÖVP ist weiter strikt gegen eine Anhebung.

Doralt: Das weiß ich. Wenn wir die Grundsteuer valorisiert hätten, würde kein Hahn danach krähen. Die Grundsteuern sind heute derartig niedrige Beträge, selbst wenn wir sie mit drei multiplizieren würden - das wäre die Valorisierung - ist sie noch immer eine Bagatellsteuer. Das ist einfach. Auch wenn ich sie nicht von heute auf morgen anhebe, kann ich das stufenweise aufbauen. Man könnte sie in den nächsten zehn Jahren jedes Jahr um zehn Prozent erhöhen. Auch wenn es 50 Millionen im ersten Jahr sind, ist das einmal etwas, das mit einem Nullaufwand zu erreichen ist. Die Gemeinden brauchen das Geld. Alle Vorschläge, die gemacht werden, sind politisch schwer durchsetzbar. Aber was brauche ich mich um die politische Durchsetzbarkeit kümmern, wenn sie administrativ gar nicht machbar sind.

derStandard.at: Von der Machbarkeit einer Vermögenssteuer einmal abgesehen, wäre damit etwas zu gewinnen?

Doralt: Ich habe nichts gegen eine Vermögenssteuer. Aber das wäre eine langfristige Einrichtung und da muss man sich anschauen, was kosten die dafür notwendigen Beamten und wie sollte sie ausschauen? Heute werden in die Diskussion nur Schlagworte geworfen. Die Sozialisten sollen sagen, was sie für konkrete Vorstellungen über eine Einführung einer Vermögenssteuer haben und wie sie exekutiert und administriert werden soll. Davon hängt ab, wie viel lukriert werden kann. Das einzige, wo ich wirklich bewertungsmäßig ansetzen kann und was bei einer Vermögenssteuer effektiv administrierbar ist, ist wie gesagt das Grundvermögen.

derStandard.at: Bei den Kapitalvermögen wäre nichts zu holen?

Doralt: Das Kapitalvermögen wird ab jetzt bereits stärker besteuert - jedenfalls die Gewinnzuwächse. Und soweit das Kapitalvermögen in Firmenbeteiligungen liegt, ist wiederum das Problem, das man sagt, die Unternehmen wollen wir nicht stärker besteuern. Die bezahlen ja ihre Körperschaftssteuer.

derStandard.at: Die ja auch recht niedrig ist.

Doralt: Ja. Aber man will eben die Unternehmen im internationalen Vergleich nicht bremsen, sagt man. In der Erbschaftssteuer hatten wir eine massive Begünstigung der Unternehmensbesteuerung.

derStandard.at: Stichwort Erbschaftssteuer. Sollte man eine Neuauflage machen?

Doralt: Ich hätte nichts gegen eine neue Erbschaftssteuer. Nur auch da wird man das Problem haben, wie bewerte ich die einzelnen Vermögenswerte. Vor allem haben wir in der bisherigen Erbschaftssteuer Kapitalvermögen praktisch steuerfrei gehabt. Wenn man das jetzt auch besteuert, kommt man in eine stärkere Besteuerung hinein, als wir bisher gehabt haben. Es ist mir bekannt, dass es in diesem Punkt auch bei den Sozialisten seinerzeit , wie es darum gegangen ist, die Abschaffung zu verhindern, geheißen hat, das Sparbuch darf nicht besteuert werden. Das ist in den einzelnen Parteien alles eine sehr schwierige Frage.

derStandard.at: Deswegen geht ja auch nichts weiter.

Doralt: Ganz richtig. Deswegen sage ich, dort ansetzen, wo es niemanden weh tut und wo wenigstens ein bisschen etwas rauskommt. Wer hindert uns, die Grundsteuer anzuheben. Dann habe ich wenigstens im nächsten Jahr 50 Millionen und in zwei Jahren 100 Millionen mehr Einnahmen.

derStandard.at: Was würde der von Finanzministerin Maria Fekter ins Spiel gebrachte Einheitstarif für Steuern und Sozialbeiträge bringen?

Doralt: Das klingt in der Theorie ganz wunderbar. Aber: Es ist heute so, dass die Sozialversicherung bei den Nichtselbstständigen im Wesentlichen als Werbungkosten absetzbar ist. Das heißt, die Höhe der Einkommenssteuer, Lohnsteuer ergibt sich auch aus der Abzugsfähigkeit der Sozialversicherung. Wenn man einen Einheitstarif bei den Nichtselbstständigen machen würde, dann bräuchte ich einen eigenen Lohnsteuertarif, der auch die Sozialversicherung mitberücksichtigt. Das heißt, ich brauche einen eigenen Sozialversicherungstarif für Nichtselbstständige und einen eigenen Lohnsteuertarif für Nichtselbstständige. Das ist äußerst schwierig politisch durchsetzbar. Nach meiner Einschätzung wird das nicht funktionieren.

derStandard.at: Was spricht dagegen?

Doralt: Dagegen sprechen Schwierigkeiten in der Steuertechnik. Der Einheitstarif, der nach den derzeitig uns präsentierten Vorschlägen unabhängig von der Einkommenshöhe gelten soll, setzt den totalen Umbau des Sozialversicherungssystems voraus. Versicherungssystem heißt, dass sich zum Unterschied von der Steuer, die Versicherungsleistung im Fall der Krankheit aus der Prämie ergibt. Wenn ich sage, die Sozialversicherung gilt in Prozenten vom Managerbezug genauso wie vom Bauarbeiter, dann bin ich ja nicht mehr in einem Versicherungssystem, sondern dann bin ich in einem Steuersystem. Heute sage ich, 50.000 ist die Grenze - weil wir haben ja eine Höchstbemessungs-Grundlage - und wenn ich krank bin, wird aus meinem Versicherungsbeitrag die Sozialversicherungsleistung bezahlt. Der Einheitstarif macht aber aus der Sozialversicherung eine Sozialsteuer, weil er dann auf einmal nicht mehr begrenzt ist. Das ist politisch nicht umsetzbar. Ich habe das Gefühl,da hat jemand einen Vorschlag gemacht und die Politiker stürzen sich darauf, weil ihnen das so gut gefällt und sehen die Probleme, die dahinterstehen, nicht. (Regina Bruckner, derStandard.at, 29.8.2011)