Batnigi: "Thema Jugend in Politik nicht angekommen."

Foto: Asma Aiad

Rodaina El Batnigi widerspricht allen gängigen Vorurteilen unserer Gesellschaft, die ihr auf den ersten Blick zugeschrieben werden könnten: Sie ist eine junge Frau, die sich schon immer von den Naturwissenschaften, vor allem von Physik und Chemie, angezogen gefühlt habe. Heute studiert sie Pharmazie. Sie ist, entgegen dem Klischee der politikverdrossenen Jugend, seit ihrem 14. Lebensjahr ehrenamtlich aktiv, sagt, sie brauche dieses gesellschaftliche Engagement wie die Luft zum Atmen.

Sie ist schlagfertig und wortgewandt, eine gebürtige Wienerin, die keine Verwechslungsprobleme mit Dativ- und Genitivkonstruktionen hat. Sie ist eine attraktive und modebewusste Frau, die sich für Frauenrechte und Feminismus einsetzt - und zwar in der Bundesjugendvertretung (BJV), dem Dachverband aller österreichischer Kinder- und Jugendorganisationen, der als Sozialpartner rund 2,9 Mio. junge Menschen unter 30 Jahren repräsentiert.

Als eine von vier Vorsitzenden ist Rodaina El Batnigi mit Kinderrechten, Antirassismus, Jugendarmut, Frauenpolitik und internationalen Angelegenheiten betraut. Zu diesen Themenfeldern setzt sie Positionspapiere auf, die davor in Arbeitsgruppen mit den Mitgliedern ausdiskutiert wurden. "Wir versuchen den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden." Das sei nicht so einfach: von den Pfadfindern über die Katholische Jugend bis zu allen politischen Vorfeldorganisationen - es müssen die Interessen unterschiedlichster Gruppierungen koordiniert werden. "Natürlich kommt es mal zu Reibereien, aber die Vielfältigkeit ist auch unsere Stärke."

Letztendlich scheitere es am "good will" der Bundesregierung, die den Service der Bundesjugendvertretung nicht nütze. "Wir haben Positionen, Expertise und wissen als direkte Vertreter der Kinder und Jugendlichen, wo der Schuh drückt."

Sie ärgere sich vor allem, wenn die politische Elite bei Themen wie Wehrpflicht oder Bildung die eigentlich Betroffenen nicht in die Diskussion einbinde. "Das meiste sind nur Alibi-Aktionen. Handshake, Foto, und das wäre dann Jugendarbeit." Sie kämpfe dafür, dass das Thema Jugend endlich als Querschnittsmaterie anerkannt und in allen Ressorts verankert werde.

Ein weiteres ihrer Anliegen ist, dass ehrenamtliche Tätigkeiten mehr Anerkennung bekommen, wie es beispielsweise in den USA schon längst der Fall ist. Fünfzig Prozent der Jugendlichen in Österreich würden sich freiwillig engagieren, aber das werde nicht gefördert - "ich opfere schließlich meine gesamte Freizeit". Hier fordert sie, dass die Rahmenbedingungen geändert werden und beispielsweise freie Tage für Freiwilli- gentätigkeiten eingerichtet werden.

Rodaina El Batnigi ist 22 Jahre alt und sprüht geradezu vor Elan und Tatendrang. Wenn sie von ihren Plänen spricht, überschlägt sich ihre Stimme vor Begeisterung. Im Oktober wird sie als Jugenddelegierte der Vereinten Nationen nach New York reisen und dort die Anliegen junger Menschen vertreten. Ihre Herkunftsorganisation ist die Muslimische Jugend Österreichs. Religion spiele eine wichtige Rolle in ihrem Leben, gebe ihr Kraft für ihre Vorhaben. Rodaina El Batnigi widerlegt noch ein Klischee: Sie ist eine moderne, emanzipierte Frau und trägt ein Kopftuch. (Katharina Mittelstaedt, STANDARD-Printausgabe, 29.9.2011)