Algier - Nach einem Doppel-Selbstmordanschlag mit mindestens 20 Toten wächst in Algerien die Sorge vor einer neuen Eskalation islamistischer Gewalt. Medien in Algier zogen am Wochenende Parallelen zum blutigen Bürgerkrieg zwischen religiösen Fundamentalisten und Regierungsanhängern in den 90er Jahren. Dieser kostete mehr als 150.000 Algeriern das Leben. Politiker befürchten, dass sich gewaltbereite Islamisten derzeit problemlos im Nachbarland Libyen mit Waffen ausstatten können, um für die Errichtung eines Gottesstaats zu kämpfen.

Bei dem jüngsten Anschlag am Freitagabend sprengten sich nach Angaben von Ermittlern zwei Selbstmordattentäter an der prestigereichen Militärakademie Cherchell in die Luft. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich zahlreiche Militärs zum gemeinsamen Ramadan-Fastenbrechen (Iftar) versammelt.

Die Zahl der Opfer fiel besonders hoch aus, weil der zweite Attentäter seine Bombe erst mit einem zeitlichen Abstand zu der seines Komplizen explodieren ließ. Er wartete, bis Rettungskräfte und Anwohner den Opfern des ersten Anschlags zu Hilfe geeilt waren. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums starben 16 Militärs und zwei Zivilisten. Unter den Opfern soll auch ein Offizier aus Syrien und ein Offizier aus Tunesien gewesen sein.

Die Armeeführung teilte mit, sie sei mehr denn je entschlossen, "die kriminellen Banden" im Land auszuschalten. Der Anschlag sei vermutlich eine Reaktion auf die Erfolge bei der Terrorbekämpfung in den vergangenen Wochen gewesen.

Medien und andere Politiker vermuteten dagegen auch einen indirekten Zusammenhang mit den Ereignissen im Nachbarland Libyen. Extremisten seien durch den Bürgerkrieg an große Mengen von Waffen gekommen, hieß es. "Wir müssen die Front innerhalb des Landes verstärken", sagte der Sprecher der Partei FLN, Kassa Aïssi.

Nach Angaben der Tageszeitung "Al-Khabar" töteten algerische Sicherheitskräfte am Wochenende in der Grenzregion fünf mutmaßliche Terroristen. Bei einer weiteren Razzia von Sicherheitskräften starben nach Angaben der Tageszeitung "Al-Watan" vom Sonntag zwei Sicherheitskräfte durch eine Sprengfalle.

Die Europäische Union verurteilte den Anschlag gegen die Militärakademie von Cherchell, zeigte sich aber optimistisch, dass Algerien sich vom Terror nicht einschüchtern lässt. Die Gewalt werde Algerien nicht davon abhalten, weiter den Weg von Reformen zu gehen, kommentierte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton gemeinsam mit EU-Kommissar Stefan Füle. "Die EU ist bereit, mit Algerien weiter zusammenzuarbeiten, um die Reformen zu unterstützen."

Hinter dem Attentat in der rund 90 Kilometer westlich von Algier gelegenen Gemeinde Cherchell wurden Anhänger der radikal-islamischen Terrororganisation "Al-Kaida im islamischen Maghreb" vermutet. Diese kämpft für einen Gottesstaat und den Sturz der Regierungen in Nordafrika. Algerien ist das Stammland der Terrororganisation, die aus der Salafistischen Gruppe für Predigt und Kampf (GSPC) hervorging.

(APA/Reuters)