Frühe Entscheidungen werfen lange Schatten. Es gibt wenige Faktoren, die den Erfolg von heute so gut erklären, wie dies der Erfolg von gestern tut. Nichts macht bekanntlich erfolgreicher als der Erfolg. Die Weichen werden in den ersten Karrierejahren gelegt. Wer in frühen Jahren die richtigen Entscheidungen trifft, z.B. das richtige Unternehmen und die richtige Branche wählt, der kann davon lange zehren.

Anhand von drei Kohorten, nämlich den WU-Absolventen von 1970, 1990 und 2000, haben wir untersucht, wie sich diese Pfadabhängigkeit in den letzten vierzig Jahren entwickelt hat. Der Befund ist mehrdeutig: Nach wie vor stark ist sie bei Einkommen und hierarchischem Aufstieg. Wer am Anfang überdurchschnittlich verdient, wer früh Führungsverantwortung bekommt, der ist auch nach zehn Jahren vorne. Hier hat sich wenig geändert.

Ganz anders ist das aber bei der subjektiven Einschätzung der eigenen Karriere. Wir haben hier zwei Fragen gestellt: "Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer Karriere?" und "Für wie erfolgreich werden Sie von anderen gehalten?" Beide wurden Jahr für Jahr erhoben. Bei beiden hat sich die Pfadabhängigkeit fast halbiert. Während früher auch das Glück auf Schienen fuhr, ist es heute ein Vogerl. Karrieren verlaufen stärker bipolar, einem Jahr mit "himmelhoch jauchzend" folgt oft ein "zu Tode betrübtes" - ohne dass dieses Auf und Ab auf objektivierbarem Erfolg beruht.

Hand in Hand geht dies mit einer abnehmenden Erklärungskraft der Persönlichkeit. Ließ sich Zufriedenheit früher vor allem mit emotionaler Stabilität, Gewissenhaftigkeit und Leistungsmotivation erklären, ist dies heute viel weniger der Fall. Es sind also nicht mehr nur die Depressiven und chronisch Erfolglosen, die unzufrieden mit ihrem Beruf sind. Es kann uns alle treffen, und zwar unvermutet und prompt.

Folgende Entwicklungen haben dazu beigetragen, dass niemand mehr die Karrierezufriedenheit für sich gepachtet hat: Zum einen haben Beruf und Karriere für die jüngeren Kohorten eine viel größere Bedeutung als früher. Karriereeinsteiger sind heute mehr denn je bereit, einen Großteil ihrer Lebensenergie für den Job einzusetzen. Dies hat Wolfgang Mayrhofer an dieser Stelle für die High Potentials des CEMS-Programms ausgeführt, es gilt aber auch für den durchschnittlichen Hochschulabsolventen.

Gleichzeitig kam es zu einer Verflüssigung von Erfolgsmaßstäben und einem Oszillieren zwischen Bezugsgruppen. War es vorgestern noch schick, als Unternehmensberater durch die Welt zu jetten und allenfalls sonntagvormittags zu ruhen, wurde man dafür schon gestern von seinen Freunden bloß bemitleidet. Wer gestern als Investmentbanker noch Master of the Universe war, ist heute Buhmann der Nation. Wer heute als Social Entrepreneur gefeiert wird, wird vielleicht morgen als naiver Sonderling abgetan. Dazu kommt die fatale Illusion, dass uns alle Optionen offenstehen und wir für Erfolg und Misserfolg ausschließlich selbst verantwortlich sind. Diese Mischung ist ein gefährlicher Karrierecocktail, der regelmäßig in schwerem Kater endet. (Michael Meyer/DER STANDARD; Printausgabe, 27./28.8.2011)