"Ich habe bei der Tour de France mitgezittert - das Ergebnis Ihres Doping-Tests traf mich wie ein Keulenschlag!" : Sportminister Darabos enttäuscht zu Exradprofi Kohl. Dessen Konter: "Von Ihrer Seite war bisher kein Interesse da, zu erfahren, wie das läuft."

Foto: Der Standard/Urban

"Ich werfe Ihnen vor, dass Sie dem Sport in Österreich keinen guten Dienst erwiesen haben"

Foto: Der Standard/Urban

"Es wäre für die Heeresleitung ein Einfaches gewesen, in unsere Kühlschränke zu schauen."

Foto: Der Standard/Urban

Standard: Schon einmal von einem ausländischen Sportler das Angebot bekommen, gegen Geld eine rasche Einbürgerung vorzunehmen?

Darabos: Nein - und auf so etwas würde ich auch nie eingehen.

Standard: Sportler kriegen bei Erfolg im Vergleich mit anderen Zuwanderern ohnehin schnell den österreichischen Pass. Ist das denn gerecht?

Kohl: Da wird sicher oft ein Auge zugedrückt - was freilich nicht ganz gerecht ist. Aber weil Österreich eines der kleineren Ländern ist, schmückt sich das Land natürlich gern mit großen sportlichen Erfolgen.

Darabos: Grundsätzlich gilt: Nur wenn es für die Republik etwas bringt und der Sportler zum Ausdruck bringt, dass er zur Republik steht, steht einer Staatsbürgerschaft nichts im Wege - das soll jetzt eher patriotisch als chauvinistisch klingen. Außerdem geht das von den Verbänden aus ...

Standard: Trotzdem segnet der Ministerrat die Staatsbürgerschaften für kanadische Eishockeyspieler mitunter ruck, zuck ab. Der türkische Gemüsehändler, der vielleicht besser integriert ist, hat hingegen erst nach 15 Jahren Rechtsanspruch auf Einbürgerung.

Darabos: Das Ganze betrifft rund fünfzehn Sportler im Jahr. Das ist vertretbar. Es gab Zeiten, in denen die Staatsbürgerschaft regelrecht verschleudert wurde, etwa an die Handballnationalmannschaft. Ich bin für einen restriktiveren Umgang damit.

Standard: Spitzensportler sind auch nicht unbedingt rechtschaffenere Staatsbürger, wie der erstinstanzliche Schuldspruch im Doping-Prozess gegen Walter Mayer zeigt: Da wird festgehalten, dass er als ÖSV-Trainer viele "nicht mehr feststellbare" Athleten mit Präparaten versorgt hat.

Darabos: Seit ich Sportminister bin, setze ich mich für den Kampf gegen Doping ein - und darum kann ich Ihnen, Herr Kohl, hier nicht den Vorwurf ersparen, dass Sie dem Sport in Österreich keinen guten Dienst erwiesen haben. Ich habe damals, als Sie bei der Tour de France vorn lagen, mitgezittert - das Ergebnis Ihres Doping-Tests traf mich wie ein Keulenschlag!

Kohl: Der Vorwurf ist berechtigt. Aber dass ich eines von wenigen schwarzen Schafen im Spitzensport gewesen bin, ist bei weitem nicht so! Von Ihrer Seite war bisher kein Interesse da, von mir zu erfahren, wie das im Doping-System läuft - und warum Sportler nicht auspacken, wie man im Prozess gegen Mayer wieder gesehen hat. Das ist nämlich so: Als ich aufflog, war ich der Betrüger. Als ich mit den Behörden kooperierte, war ich der Verräter. Und als ich dann an Schulen Vorträge zur Prävention von Doping hielt, um meine Erfahrungen weiterzugeben, teilte mir die Nada (die nationale Anti-Doping-Agentur) mit: "Du darfst das nicht, du bist gesperrt!"

Darabos: Ich gebe zu, dass ich Ihnen gegenüber sehr skeptisch war - weil Sie in der Phase, bevor Sie ertappt wurden, oft betont haben, keinesfalls zu dopen.

Kohl: Sie wissen doch, wie das läuft: Diese Fragen stellen einem die Medien - und Auspacken bedeutet das Ende der Karriere.

Darabos: Ich gebe auch zu, dass man über die Praktiken bis heute wenig sagen kann. Außer Ihnen und Ihrer Kollegin, der Triathletin Lisa Hütthaler, redet ja niemand offen über Doping. Aber jeder hat eine zweite Chance verdient - und mittlerweile habe ich das Gefühl, es geht auch Ihnen um den Kampf gegen Doping. Anscheinend ist es tatsächlich ein mafiöses System, das man nur schwer durchschaut.

Standard: Wie schlittert man da als Sportler rein?

Kohl: Solange ich bei den Eltern gelebt habe, war Doping kein Thema. Als ich mit Achtzehn ins Heeressportzentrum in der Südstadt kam, gab es in jedem Zimmer einen Kühlschrank - und ich habe mich noch gewundert, warum. Denn es gab ja Frühstücksbuffet, Mittagsbuffet, Abendbuffet. Nach einem halben Jahr wusste ich dann, was in den Kühlschränken gelagert war. Ich hatte damals schlechte Blutwerte, und jemand sagte zu mir: "Du kannst da was dagegen tun." Er macht den Kühlschrank auf - und da waren die Doping-Mittel drinnen. Es war für viele ganz selbstverständlich, etwas zu nehmen.

Standard: Wie konnte das im Heeressportzentrum passieren?

Darabos: Seit ich Heeresminister bin, wird jedenfalls rigoros durchgegriffen. Im Zuge der Causa Mayer haben wir im Heeressportzentrum Hochfilzen nachgeschaut, aber nichts gefunden. Ich hoffe, dass das nicht mit Angestellten des Heeres passiert ist?

Kohl: Das nicht. Das machten schon die Sportler untereinander. Aber es wäre für die Heeresleitung ein Einfaches gewesen, da einmal durchzugehen und in die Kühlschränke zu schauen.

Darabos: Aber wenn man sich die Zeiten bei der Tour de France heuer ansieht, dann gibt es Hoffnung, dass es nun sauberer hergeht. Die Spitzenzeiten lagen unter jenen in den Jahren davor. Ist das nicht ein Indiz dafür, dass das Dopen zurückgegangen ist?

Kohl: Vielleicht hat es so gewirkt, ja, aber es spielen viele Faktoren mit für Bestzeiten. Der Wind, das Wetter. Wirklich sauber aber - davon bin ich überzeugt - war auch diese Tour nicht.

Standard: Reichen die neuen Bestimmungen aus, um Doping-Sündern das Handwerk zu legen?

Kohl: Ich habe ja meinen Teil dazu beigetragen, dass das Gesetz verschärft wurde. Aber: Einen Sportler hält man vom Dopen nur ab, indem darauf Gefängnisstrafe steht - und zwar nicht nur auf nationaler Ebene, sondern auch auf internationaler. Und: Förderlich wäre, wenn man jenen, die reden, eine Perspektive bietet. Ich, seit dem zwölften Lebensjahr im Radsport, stand nach dem Aus zunächst vor dem Nichts. Und so ergeht es jedem, der plaudern würde.

Darabos: Laut Gesetz ist Doping in Österreich ja mittlerweile auch ein strafrechtlich zu ahndendes Vergehen. Aber jedes Mal, wenn ich bei Sportministertreffen auf eine gemeinsame Vorgangsweise in der EU dränge, herrscht Stille. Da kommt keine Wortmeldung!

Standard: Ab 2014 wären Sie wieder startberechtigt. Lust auf ein Comeback?

Kohl: Ein Comeback findet definitiv nicht statt. Einmal alles gesagt habend, ist man nicht mehr willkommen.

Standard: Zur Fitness von Normalbürgern: Bei der Stellung werden mittlerweile 15 Prozent der jungen Männer als "untauglich" nach Hause geschickt. Was läuft schief?

Darabos: Sehr viel. Laut Studien machen zwei Drittel der Bevölkerung keine Bewegung. Nur dreizehn Prozent treiben regelmäßig Sport. Der Rest ein bisschen. Bei den Stellungen haben wir festgestellt, dass die Achtzehnjährigen im Schnitt um drei Kilo mehr auf die Waage bringen als jene vor zehn Jahren - 74 statt 71 Kilo. Auch signifikant: Der Anteil der Männer mit mehr als hundert Kilo hat sich in der Zeit von drei Prozent auf 6,5 Prozent mehr als verdoppelt. Der allgemeine Bewegungsmangel, die schlechte Ernährung spiegelt sich hier wider. Es wäre daher dringend geboten, dass alle Schulen mehr Bewegung für die Schüler anbieten.

Standard: Ist das auch eine Empfehlung an Ihre Parteikollegin, Unterrichtsministerin Claudia Schmied?

Darabos: Sie unterstützt das sehr, aber im Rahmen der Schulautonomie gäbe es noch viel Luft für mehr Sport.

Kohl: Die Übergewichtigen müssen keinen Zivildienst leisten, oder? Wieso kann man die zu keinem Dienst heranziehen?

Darabos: Nach der Menschrechtskonvention darf man Untaugliche zu keinem Wehrersatzdienst heranziehen.

Standard: Die ÖVP könnte sich vorstellen, die Tauglichkeitskriterien zu adaptieren, um Ausgemusterte zu einem Dienst heranzuziehen - kein Thema für Sie?

Darabos: Wir verhandeln im September darüber weiter.

Standard: Wird das noch was mit der Abschaffung der Wehrpflicht?

Darabos: Das hängt nicht von mir ab, sondern von der ÖVP.

Kohl: Wie würde es bei einem Frewilligenheer mit dem Heeressport ausschauen?

Darabos: Das bliebe gleich. Denn wir haben mit den 350 Sportlern ein sehr gutes Modell.

Standard: Wann bekommt Exgeneralstabschef Edmund Entacher, Verfechter der Wehrpflicht, den Bescheid mit Ihrer Begründung für seine Absetzung?

Darabos: Demnächst. Seine Taktik, viermal Akteneinsicht zu beantragen, führte dazu, dass es dauert.

Standard: Auch dem Bundespräsidenten hat Ihre Vorgangsweise gar nicht gefallen.

Darabos: Ich bin immer noch ein Freund von ihm, zumal ich seinen Wahlkampf 2004 leiten durfte. Mich hat die Sache mit Entacher auch emotional aufgewühlt - wegen des Vertrauensverlusts, den ich da erlebt habe.

Standard: Apropos Aufwühlung: Dürfen Männer öffentlich weinen?

Kohl: Ich habe mir oft anhören müssen, dass das alles nur gespielt war, als ich zugegeben habe, dass ich gedopt habe. Ich habe mir damals vorgenommen, dass ich dort nicht weine - aber es ist halt passiert.

Standard: Sie hätten als Minister wohl auch schon genug Anlass zum Weinen gehabt - zumindest hinter verschlossenen Türen?

Darabos: Prinzipiell sehe ich es nicht als Peinlichkeit, wenn ein Mann weint. Im Amt habe ich aber noch keine Träne vergossen. (Nina Weißensteiner, DER STANDARD; Printausgabe, 25.8.2011)