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Wie ein Greifvogel aussehen und doch keiner sein: Der Falke steht der Amsel und dem Ara näher als dem Adler.

Foto: REUTERS/Laszlo Balogh

Münster - Die oft verblüffenden Verwandtschaftsbeziehungen zwischen Vogelarten sind ein Paradebeispiel für die Bedeutung genetischer Untersuchungen, um die wahre stammesgeschichtliche Entwicklung einer Tiergruppe zu ergründen - eine reine Analyse des Körperbaus hilft da oft recht wenig. Das beginnt im Grunde schon bei der Stellung der Vögel an sich: Betrachtet man die Vögel - analog zu den Säugetieren - als "Klasse", kann man dies in Bezug auf die Reptilien nicht mehr tun. Nicht mehr, seit festgestellt wurde, dass die Vögel näher mit den Krokodilen verwandt sind als diese mit "anderen" Reptilien wie etwa Schildkröten.

Und auch innerhalb der Vögel stößt man immer wieder auf überraschende Verwandtschaften: So konnten deutsche Forscher nun endgültig nachweisen, dass Falken keine Greifvögel sind - und das, obwohl sie Adlern oder Bussarden ausgesprochen ähnlich sind. Offenbar ein Fall von konvergenter Evolution wegen ähnlicher Lebensweise - tatsächlich sind Falken enge Verwandte der Papageien und Sperlingsvögel. "Wir haben einen der kontroversesten Teile des Stammbaums der Vögel entschlüsselt", ist sich der Doktorand Alexander Suh vom Zentrum der Molekularbiologie der Entzündung (ZMBE) der Universität Münster sicher. "Erstmals können wir damit sagen, mit wem mehr als die Hälfte aller Vogelarten, die Sperlingsvögel, also alle Singvögel und Schreivögel, am engsten verwandt sind", erklärt Suh, der im Institut für Experimentelle Pathologie des ZMBE forscht. "Früher stellte man sie in die Nähe der Spechte oder der Kuckucke. Jetzt wissen wir, dass es die Papageien sind, die auf dem Nachbarast im Stammbaum sitzen."

Zum Ursprung

Diese Erkenntnisse haben interessante neurobiologische Konsequenzen. Denn Papageien und die meisten Sperlingsvögel besitzen die - unter Vögeln seltene - Fähigkeit, Gesang zu erlernen. Sperlingsvögel wie der Zebrafink oder Papageien wie der Wellensittich sind daher wichtige Modellorganismen, um zu erforschen, wie Lernprozesse im Gehirn funktionieren. Die nahe Verwandtschaft dieser beiden Vogelgruppen legt den Schluss nahe, dass auch der gemeinsame Urahn von Sperlingsvögeln und Papageien diese Fähigkeit besaß.

Und dieser Urahn konnte vermutlich schon 30 Millionen Jahre früher als bisher angenommen singen, noch während des Mesozoikums: Die damaligen Dinosaurier lebten also bereits in einer Welt des Vogelgezwitschers. Ermöglicht wurden die Erkenntnisse durch Daten auf der Basis sogenannter "springender Gene". Diese Gene dienen als Marker, denn sie bleiben für viele Jahrmillionen erkennbar - die Münsteraner Forscher sprechen von "molekularen Fossilien" in der Erbsubstanz. (red)