Bei einer Protestaktion gegen Abschiebung von Kindern wurden im Vorjahr vor dem Innenministerium Stofftiere platziert.

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Klagenfurt - Drei tschetschenischen Familien, die seit Jahren in Kärnten leben, droht die Abschiebung in ihr Heimatland. Der Verein Aspis setzt sich bereits seit Wochen gegen deren Ausweisung ein. "Viele der Betroffenen sind psychisch krank", sagt Klaus Ottomeyer, Aspis-Vorstand und Professor für Sozialpsychologie an der Universität Klagenfurt, über die schwer Traumatisierten. "Es ist doch klar, dass man sie nicht dorthin schickt, wo sie noch mehr krank werden." In Tschetschenien herrsche nach wie vor ein Klima der Angst. Verhöre, Erpressungen, Verhaftungen stünden an der Tagesordnung.

"Die Situation in Tschetschenien hat sich in den letzten zehn Jahren nicht verbessert, obwohl der Krieg vorbei ist", sagt Susanne Scholl, langjährige ORF-Russlandkorrespondentin. "Die Leute, die hier in Österreich sind, hatten keine andere Wahl, sie konnten dort nicht leben." Es gebe keine Arbeit, keine Perspektiven - vor allem für alleinstehende Frauen mit Kindern nicht: "Wenn es keine männlichen Verwandten gibt, die irgendwie die Hand über sie halten, sind sie jeglicher Willkür ausgesetzt".

Grundversorgung gestrichen

Der Asylgerichtshof hat die Asylanträge der betroffenen Familien auch in der Berufung negativ beurteilt. "Die Ausweisung in den Heimatstaat wurde als rechtmäßig befunden", erklärt Gernot Steiner vom Flüchtlingsreferat des Landes Kärnten. Bei negativen Asylentscheidungen würde man die Familien hinsichtlich einer freiwilligen Rückkehr beraten - doch die wurde von den Betroffenen abgelehnt.

Daher hat das Land ihnen ihre Grundversorgung gestrichen. Zwei Familien mit insgesamt fünfzehn Kindern stehen jetzt kurz davor, auf die Straße übersiedeln zu müssen, für die dritte Familie konnte kurzfristig ein anderes Quartier gefunden werden.

Das Nein der Tschetschenen zur freiwilligen Rückkehr hält Steiner für keine gute Entscheidung. Auch wenn sie zugestimmt hätten, wäre ihre Abschiebung höchst fraglich, behauptet er: Denn die russische Botschaft hätte dann noch für ein Heimreisezertifikat sorgen müssen.

Zivilcourage ist gefragt

Hier widerspricht Michael Genner von Asyl in Not, der in Wien viele tschetschenische Flüchtlinge betreut: Die Beschaffung dieser Zertifikate erfolge seiner Erfahrung nach immer äußerst prompt. Die fünf tschetschenischen Familien haben humanitäres Bleiberecht beantragt. Bis eine Entscheidung ergeht, sind sie auf zivile Unterstützung angewiesen. Ottomeyer plädiert für eine humanitäre Lösung: "Wenn die Politik will, kann sie das machen."

Auch Zivilcourage sei gefragt: Scholl verweist auf Röthis in Vorarlberg, wo Freunde einer kosovarischen Familie 2010 deren Abschiebung verhinderten. Die Russlandkorrespondentin ortet in der österreichischen Politik Widersprüche: Auf der einen Seite versuche man via Rot-Weiß-Rot-Karte Leute aus dem Ausland hereinzuholen, auf der anderen Seite würden Menschen ausgewiesen, die bleiben wollen.

In ganz Österreich gibt es pro Woche zwischen 360 und 380 Asylanträge (im Vergleich zu 2010 plus neun Prozent), in Kärnten sind 1080 Asylwerber zugelassen. (Jutta Kalian, DER STANDARD, Printausgabe, 24.8.2011)