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Ein Appell an alle Regierenden und Bürger: Engagiert euch, die Ursachen der Hungerkatastrophe in Ostafrika zu beseitigen!

Foto: EPA

Wir müssen die Ursachen von Tragödien verstehen, damit sich diese nicht wiederholen. Die Katastrophe in Ostafrika ist keineswegs "unfassbar" , wie manche Kommentatoren behaupten, sie hat sich seit Jahren und Jahrzehnten angekündigt. Die Menschen sterben nicht nur an einer unglückseligen Dürre, sondern auch an weitreichenden, systemimmanenten Missständen: am Klimawandel, den Folgen neoliberaler Ideologien, militaristischen Interventionen und unbeständigen Getreidemärkten. Und an der Unwilligkeit der Staatenwelt, die verschiedenen Warlords, die seit 20 Jahren Somalia zerstören, international zu ächten und zu verfolgen.

Wir brauchen neue, nichtmilitaristische Formen der Einmischung!

Angesichts der ökologischen Veränderungen in der Sahelzone von Dürre zu reden, ist nach so vielen regenlosen Jahren falsch. Vielmehr schreitet die Wüste voran, ganze Regionen trocknen aus. In der Hungersnot in Ostafrika zeigen sich die katastrophalen sozialen Folgen, vor denen uns Klimaforscher seit Jahren warnen. Trotzdem könnten wir den Menschen lokal helfen, wenn es finanzielle Hilfen gäbe für Nomaden, Viehhüter und Kleinbauern, damit sie tiefere Brunnen bohren und Techniken einführen, um das Regenwasser, das meist sintflutartig niedergeht, zu sammeln.

Die Opfer des Klimawandels haben ein Recht auf Hilfe - und das nicht erst nach dem Eintreten von Katastrophen!

Eine lokale, nachhaltige, landwirtschaftliche Produktion aber passt nicht in das Kalkül der global herrschenden Ökonomie. Anstatt traditionelle, arbeitsintensive, aber überwiegend autarke Techniken zu unterstützen, wird "Entwicklungshilfe" überwiegend dazu benutzt, selbst in ökologisch fragilen Ländern ein konsumorientiertes, hochmechanisiertes und von fossilen Brennstoffen abhängiges Wirtschaften einzuführen. Gerade am Horn von Afrika, in Äthiopien und Sudan, sind riesige fruchtbare Gebiete an ausländische Investoren verkauft worden, die dort Lebensmittel für eine privilegierte Bevölkerung auf anderen Kontinenten anbauen wollen: ein profitables Geschäft, das aufgrund zunehmender klimatischer Unsicherheit künftig noch lukrativer werden wird. Schon heute setzen Rohstoffhändler an den Börsen auf steigende Weizenpreise. Preisschwankungen, die mit der Spekulation einhergehen, sorgen in vielen Ländern für Nahrungsmittelkrisen, nicht nur in Ostafrika.

Der Landraub und die Spekulation mit Nahrungsmitteln müssen unterbunden werden!

Auch die politische Brutalisierung Somalias, durch die sich die Lage verschlimmert, hat komplexe Ursachen. Bis zum Ende der Blockkonfrontation tobten in Somalia und Äthiopien Stellvertreterkriege, in denen die USA und die Sowjetunion ihre jeweiligen Lieblingsdiktatoren zu unsinnigen Aggressionen ermutigten und diese finanzierten. Der seit zehn Jahren am Horn von Afrika geführte "Krieg gegen den Terror" hat die Agonie Somalias nur verlängert. Nicht die existenziellen Bedürfnisse der somalischen Bevölkerung stehen im Vordergrund, sondern die systemrelevante Sicherung internationaler Seefahrtswege. Und je nach Opportunität werden hierbei widerstreitende Warlord-Fraktionen sogar noch aufgerüstet. Nimmt man noch die Überfischung in den Gewässern vor der somalischen Küste hinzu, die wesentlich zum Aufkommen der Piraterie beigetragen hat, werden die vielfältigen Gründe für den tödlichen Bürgerkrieg erkennbar.

Militaristische Interventionen im Dienste der eigenenSicherheit müssen aufhören!

Notwendig ist nicht eine Politik des Mitleids, sondern eine der politischen Verantwortung. Die Hungernden haben ein Recht auf Anerkennung als Bürger dieser Welt. Sie haben wie alle anderen Menschen Rechte, zu denen auch das Recht auf Ernährung nach Artikel 25 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte gehört. Hilfe in der Not und strukturelle Veränderungen zur Beseitigung der Ursachen von Hunger sind kein Akt von Good Will, sondern eine völkerrechtlich bindende Pflicht. Dies durchzusetzen bedarf des politischen Willens von Regierungen und öffentlichen Drucks von unten. Auch von uns.

Andreas Ammer (D)

NoViolet Bulawayo (Simbabwe)

Alex Capus (CH)

György Dragomán (Ungarn)

Péter Esterházy (Ungarn)

Nuruddin Farah (Somalia/Südafrika)

Abdulrazak Gurnah (Tansania)

Felicitas Hoppe (D)

Ranjit Hoskoté (Indien)

Carsten Jensen (Dänemark)

Jamal Mahjoub (Sudan)

Abbas Khider (Irak/D)

Michael Krüger (D)

Robert Menasse (A)

Pedro Rosa Mendes (Portugal)

José Oliver (D/Spanien)

Christoph Ransmayr (A)

Christine und Rudolf Scholten (A)

Brita und Wolf Steinwendtner (A)

Stephan Thome (D)

Uwe Timm (D)

Ilija Trojanow (D/A)

Abdourahman Waberi (Dschibuti)

John Wray (USA)

Jean Ziegler (Schweiz)

Medico International
(DER STANDARD, Printausgabe, 23.8.2011)