Nicht nur Angehörige von Menschen, die in Pflegeheimen untergebracht sind, werden in der Steiermark künftig wieder zu Regresszahlungen aufgefordert. Auch Angehörige von MindestsicherungsbezieherInnen müssen einen Teil der jeweiligen Kosten tragen, so sie ein entsprechend hohes Einkommen erzielen. Dieses Gesetz ist mit 1. März 2011 in Kraft getreten und wird im September nach einer Übergangsfrist auch vollzogen. Erst 2008 wurde der Regress für Menschen in Pflegeheimen und Sozialhilfebezieher abgeschafft. Aus dieser Zeit weiß man, dass die Rückflüsse aus den Regressforderungen relativ gering sind.

In der Steiermark ist man mit dem Einheben von Regressforderungen vertraut. Bis zum Jahr 2008 mussten die Bezirkshauptschaften noch den Sozialhilfe- und Pflegeregress einholen. Sowohl für die Pflege als auch für die Mindestsicherung ergehen im September wieder Zahlungsaufforderungen an die Angehörigen. Wobei der Begriff "Angehörige" relativ weit gefasst ist: Zur Kasse gebeten werden Eltern, Kinder, EhepartnerInnen, ehemalige EhepartnerInnen, Partner aus eingetragenen Partnerschaftsverbindungen sowie Erben der Mindestsicherungsbezieher.

Damit bei einem ehemaligen Partner die Mindestsicherung regressiert werden kann, muss in dem Zeitraum, als die Mindestsicherung bezogen wurde eine aufrechte Partnerschaft bestanden haben. Bis zu drei Kalenderjahre nach dem Bezug der Mindestsicherung kann regressiert werden – später gelten die Forderungen als verjährt. Relevant für die Höhe des Regresses ist das Einkommen des Angehörigen während der Zeit als die Mindestsicherung bezogen wurde. Wurde etwa von Jänner 2012 bis zum August 2012 die Mindestsicherung an einen Angehörigen ausbezahlt, kann auch nur jenes Einkommen regressiert werden, das in diesem Zeitraum verdient wurde.

Sozial gestaffelt

Die Rückzahlungspflicht erfolgt sozial gestaffelt: Ab einem Einkommen von 1.500 netto muss monatlich ein gewisser Prozentsatz bezahlt werden. Wer etwa 1.500 bis 1599,99 Euro verdient, muss vier Prozent des Einkommens bezahlen. Bei 2.000 Euro bis 2099,99 sind es 6,50 Prozent des Einkommens bei einem monatlichen Nettoverdienst von 2.700 Euro müssen 10 Prozent bezahlt werden.

Darüber an wie viele Angehörigen von Mindestsicherungsbeziehern Rückzahlungsaufforderungen ergehen – in der gesamten Steiermark sind es derzeit 8.615 – kann man im Büro des Soziallandesreferates Siegfried Schrittwieser noch keine Auskunft geben. Nur so viel: "Wir erwarten uns nicht die großen Einnahmen aus den Rückforderungen für die Mindestsicherungen". Das Umfeld von Menschen, die die Mindestsicherung beziehen sei nicht besonders zahlungskräftig. Warum man dann die Ersatzpflicht für die Mindestsicherung überhaupt eingeführt hat? "Es handelt sich, ebenso wie beim Pflegeregress um einen Solidarbeitrag", heißt es weiter.

Mindestsicherungsanträge steigen

Dass die Einnahmen aus dem Mindestsicherungsregress bescheiden ausfallen dürften, bestätigt auch die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Mur. Zuletzt wurden in diesem Bezirk 1,2 Millionen Euro an Sozialhilfe ausbezahlt – nur 82.000 Euro konnten von den Angehörigen oder vom Empfänger zurückgefordert werden. "Es gab selten Fälle, dass jemand aus einem Haus kommt, wo ein Rückersatz möglich war", sagt Eva Schmidinger von der BH Bruck zu derStandard.at. Über die zu erwartenden Einnahmen aus der Mindestsicherung könne man derzeit noch keine Prognose abgeben. Nur so viel: Die Zahl der Anträge für die Mindestsicherung hat sich im Vergleich zur Sozialhilfe fast verdoppelt. Einst 300 Empfängern der Sozialhilfe stehen ein halbes Jahr nach Einführung bereits 560 Mindestsicherungsanträge gegenüber.

"Alle Hände voll zu tun"

Helmut-Theobald Müller ist Bezirkshauptmann der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg, auch seine Behörde fordert die Rückzahlungspflichten ein. Seit Einführung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung am 1. März 2011 gibt es 201 Anträge an der Bezirkshauptmannschaft, wobei die Anzahl der Neuanträge im Vergleich zu den Sozialhilfeempfängern um ein Drittel gestiegen ist. Auch Müller kann die Frage, von wie vielen MindestsicherungsbezieherInnen ein Angehörigen-Regress zu holen ist noch nicht beantworten. "Wir haben zum einen im Augenblick alle Hände voll damit zu tun die Anträge abzuarbeiten, zum anderen beginnt der Regress erst ab September 2011 wirksam zu werden", sagt Müller zu derStandard.at. Erst nach Zuerkennung der Mindestsicherung muss das Einkommen der Angehörigen amtswegig ermittelt werden. Mit ihnen wird dann, wenn eine Verpflichtung auf Grund eines entsprechend hohen Einkommens besteht, entweder ein Vergleich über die Rückzahlungspflicht geschlossen oder die Behörde erlässt einen Bescheid, in dem die monatlichen Beträge festgeschrieben sind.

Auch Pflegeregress-Einnahmen sind gering

Allerdings sind auch die Zahlen aus der Zeit, als der Pflegeregress noch bestanden hatte spannend: Für die damals rund 250 Personen, die stationär gepflegt wurden, mussten im Bezirk Deutschlandsberg zirka 8 Millionen Euro aufgebracht werden. Rund 3,5 Millionen wurden von den Pflegebedürftigen aus Pensionen und Pflegegeld selbst aufgebracht, etwa 500.000 Euro von deren Angehörigen durch den Regress. 4 Millionen Euro mussten vom Steuerzahler beglichen werden. Durchschnittlich beträgt die Zuzahlung der öffentlichen Hand für eine gepflegte Person in Deutschlandsberg schon mehr als 1.500 Euro pro Monat.

Rund 320 Menschen sind in Pflegeheimen im Bezirk Deutschlandsberg untergebracht, für die von der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg teilweise die Kosten getragen werden. Ein Drittel bis ein Viertel dieser Heimbewohner wird Angehörige haben, die zum Regress verpflichtet sind, erklärt Müller. Je nach Anzahl der Angehörigen – insbesondere der Kinder – können sogar fünf oder mehr Personen für "einen Pflegling" mitzahlen. Angesichts dieser Zahl, stellt sich die Frage, ob der Aufwand um einen geringen Teil der Kosten zu erhalten gerechtfertigt ist. Dazu sagt Müller: "In unserer Behörde existiert das Know-how, wie Regresse abzuwickeln sind, seit vielen Jahren. Der Aufwand ist zu bewältigen und war stets deutlich geringer als die Einnahmen". (Katrin Burgstaller/derstandard.at, 22. August 2011)