Aus einem als Schmutzfink verteufelten Vogel könnte Tuur van Balen ein Nutztier machen: "Pigeon d'Or".

Foto: Pieter Baert

Linz - Es gibt Legenden, in denen Alchemisten und Mystikerinnen die Fähigkeit besitzen, Exkremente in Gold zu verwandeln. Jedoch bleibt es auch im Jahr 2011 ein Traum, aus Mist Geld zu machen. Deutsche Studenten haben es zwar bereits geschafft, Fäkalien durch Karbonisierung in Biokohle zu verwandeln, die sich als Düngemittel eignet. Aber noch schräger mutet es an, wenn Kot plötzlich nicht mehr mit Verschmutzung, sondern Reinigung in Verbindung gebracht wird.

Dieses wundersame Szenario hat sich der belgische Künstler Tuur Van Balen ausgedacht und wurde dafür beim Prix Ars Electronica in der Kategorie Hybrid Art ausgezeichnet; eines von zahlreichen Projekten, die jedes Jahr im Rahmen der Preisträgerausstellung Cyber Arts im OK (Offenes Kulturhaus) präsentiert werden.

Van Balens wichtigste Mitspieler sind Tauben, die als "fliegende Ratten" in Großstädten oft üble Nachrede genießen. Mithilfe von "Biobricks" wird jedoch im Darm der verschrienen Vögel der pH-Wert verringert und die Bakterien werden dazu angeregt, ein fettabbauendes als Scheibenputzmittel geeignetes Enzym zu produzieren.

Darüber hinaus designte er Taubenschläge für das Fensterbrett und eine Landevorrichtung für Autos, damit die Tauben ihre reinigendes Gut auf der Windschutzscheibe verteilen können.

Spinnerei könnte man denken, aber bei den ausgezeichneten Projekten des Prix Ars Electronica kam es der Jury heuer auf das Potenzial an, gewohnte Perspektiven zu verlassen, frische Blicke auf Raum und Zeit zu werfen oder Debatten auf makroskopischer und philosophischer Ebene anzustoßen.

Pflanzenfressergefühle

So wie die Gewinner der Goldenen Nica (Hybrid Art), das französische Duo Art Orienté Objet: Marion Laval-Jeantet und Benoît Mangin starteten einen Selbstversuch, ein Beispiel extremer Körperkunst, und thematisierten das Auflösen von Artengrenzen. Laval-Jeantet ließ sich daher Pferdeplasma injizieren und berichtete Wochen später über die Wirkung:

"Ich war kraftgeladen, äußerst sensibel, ultranervös und sehr anders. Ich hatte die Empfindsamkeit eines Pflanzenfressers, konnte nicht schlafen. Vermutlich fühlte ich ein bisschen wie ein Pferd." Artenübergreifend auch das Cinema for Primates, eine für Schimpansen des Edinburgher Zoos entwickelte Videoreihe und schließlich auch das AndroidTheater mit dem Geminoid-Roboter Hiroshi Ishiguros. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD/SPEZIAL - Printausgabe, 19. August 2011)