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Bundeskanzler Werner Faymann geriet in Klagenfurt auch in eine Kundgebung seiner Parteijugend zur "VerSCHEUCHung von Korruption".

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Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich (VP), Staatssekretär Josef Ostermayer (SP), Bundeskanzler Werner Faymann (SP) und die Spitzen der Kärntner Landespolitik drängten sich um die Tafel mit deutsch-slowenischer Aufschrift.

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Kärntens Landeshauptmann Gerhard Dörfler bedankte sich bei Staatssekretär Josef Ostermayer für dessen Einsatz mit der Verleihung eines Ordens.

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Es ist die ewig gleiche Frage, die Helfried Besser gestellt bekommt. Steigen Touristen in seiner geranienumwucherte Pension ab, erkundigen sie sich nicht nur nach den ergiebigsten Schwammerlplätzen oder dem Weg nach Minimundus. Seit zehn Jahren müsse er kopfschüttelnden Gästen immer wieder eines erklären, erzählt Besser: "Warum wir wegen ein paar depperten Ortstafel so ein Theater aufführen."

Der Morgen des 16. August sollte der letzte sein, an dem Besser die Psyche der Kärntner interpretieren muss. Für den Nachmittag haben sich der Landeshauptmann, der Staatssekretär und sogar der Bundeskanzler angekündigt, um ein paar hundert Meter weiter, an der Gemeindegrenze, einen "historischen" Akt zu vollbringen. Eine zweimal ein Meter große weiße Tafel mit blauer Umrandung wollen die honorigen Herrschaften aufstellen. Bad Eisenkappel wird dann hochoffiziell auch Železna Kapla heißen.

Das Schild ist eines der letzten im 2400 Einwohner-Dorf, das zweisprachig wird. Wanderwege, Wohnungsanzeigen, die Veranstaltungen des Folklorezentrums sind längst in beiden Kärntner Idiomen ausgewiesen. Der Bürgermeister nennt sich zugleich "Zupan" , das Gemeindeamt "Obèinski urod" - und in einträchtiger Mischkulanz feiert Eisenkappel auch am Vorabend des großen Tages. Aber nicht wegen des Traras um die Ortstafeln, sondern weil - wie jeden August - Kirchtag ist.

"Die soin endlich die blede Tofi aufstelln und a Rua geben" , sagt ein Deutschkärntner in urigem Dialekt vor dem Café "Bei Lotte" , wo das "Ansambel Spomini" slawische Schnulzen zum Besten gibt: "Koan Menschen stört de bei uns!" Vorbei die Zeit, als einem gelegentlich "Tschusch" oder "Partisan" nachgerufen wurde, pflichtet ein slowenischer Muttersprachler bei: "Es gibt beim Zusammenleben kein Problem." Und auch im Festzelt nebenan, wo Mehrheit und Minderheit zu Musikantenstadl-Gedudel schunkeln, liegt Bierdunst, aber keine Spannung in der Luft. "Wir Unterkärntner halten zusammen" , versichert eine gemischte Gruppe bei Ripperl und Erdäpfelsalat.

Warum dann das jahrzehntelange Gezerre um die Tafeln? Das "gemeine Volk" habe mit dem ewigen Hickhack nichts am Hut, meint eine Eisenkapplerin slowenischer Provenienz: "Aber es gibt halt Organisationen, die das Thema ausgereizt haben - auf beiden Seiten. Die einen wollten alles haben, die anderen nichts geben."

Gerhard Dörfler ist erst seit kurzer Zeit in Geberlaune. Vor wenigen Jahren noch hat er Ortstafeln verrücken lassen, um die vom Verfassungsgerichtshof geforderten slowenischen Aufschriften zu verhindern, nun spielt der Landeshauptmann den Einiger. Zum einem Festakt hat er am Dienstag geladen, bei dem nichts Geringeres als "die Lösung des Kärntner Ortstafelkonflikts zelebriert wird.

Ein Klunker für Ostermayer

Die Politprominenz hat sich nicht lange bitten lassen. Dicke Limousinen stauen in die Klagenfurter Altstadt, am Platz vor dem Landhaus spielt die Polizeikapelle auf. Strahlend schüttelt Dörfler - blitzblaue Krawatte zum grauen Trachtenanzug - die sich ihm entgegenstreckenden Hände. Besonders herzlich fällt die Begrüßung von Staatssekretär Josef Ostermayer aus, man tätschelt einander die Schultern. "Der Josef hat verstanden, die Kärntner zu verstehen" , lobt ihn Dörfler später coram publico und hängt ihm den an schwerer Kette baumelnden Landesorden in Gold um den Hals.

Ein paar Tropfen vom Schweiß, den der von der Regierung entsandte Mediator Ostermayer in unzähligen zähen Verhandlungsrunden vergossen hat, fallen beim finalen Jubelevent fürs Publikum ab. Der Wappensaal im Landhaus ist gerammelt voll, das Programm dicht. Sechs Politiker und ein Vertreter der slowenischen Volksgruppe stellen sich ums Mikro an, der Grenzlandchor Arnoldstein singt "Ja griaß enk Gott" und "Mei Herzle schlagt fürs Land" .

Auch die Festredner haben viel fürs Gemüt im Programm. Sloweniens Ministerpräsident Borut Pahor sieht einen "historischen Bogen zu einem friedlicheren und toleranteren Leben" , Landeshauptmann Dörfler gar eine Kärntner "Gegenwelt zu Oslo, Birmingham und London" . Als "legistische Deeskalation eines jahrzehntelangen Konflikts" interpretiert Ostermayer das eigene Werk, während Werner Faymann ein Zitat Ingeborg Bachmanns für widerlegt hält: "Die Geschichte lehrt andauernd, findet aber keine Schüler" , habe die Kärntner Schriftstellerin gemeint - vor der Ortstafellösung. Als noch die von "Mannesmut und Frauentreu‘" erkämpfte Kärntner Heimat, "wo man mit Blut die Grenze schrieb" , besungen wird, wird so manches Auge glasig.

Was im Rührstück keinen Platz hat: Für den "Sieg des Rechtsstaatlichkeit" (Ostermayer) musste die Politik die Verfassung erst zurecht biegen. Laut Spruch des Verfassungsgerichtshofes müssten sonst rund 100 Ortstafeln mehr stehen, als die nun paktierten 164.

Entspannte Eisenkappler

Ein unfaires Geschäft? So mancher Eisenkappler Slowene sieht den Kompromiss entspannter als die Kritiker unter den Minderheitenvertreter (siehe Interview S. 3). "In vielen der möglichen Gemeinden ist das den Leuten eigentlich wurscht" , sagt ein Alteingesessener und hält die Volksgruppenförderung für viel wichtiger: "Ich bin froh, dass diese unendliche Ortstafelgeschichte ein Ende findet." Das sieht Franz-Josef Smrtnik ganz ähnlich. Den einstigen Landesrat Dörfler hat der Bürgermeister vor sechs Jahren als Gegner kennengelernt. Damals hatte sich Smrtnik an die bereits bestehende zweisprachige Tafel einer Unterortschaft angekettet, weil ihr die Landesregierung ans Gestänge wollte. Heute "lacht" ihm das "Herz" , als er mit Dörfler und einem Dutzend anderen Politikerhänden endlich das Schild für die Eisenkappler Kerngemeinde in die Verankerung hebt.

Furcht vor der Dominanz

Doch nicht alle Bürger sind in Feierlaune. Helfried Besser etwa ist unzufrieden. Nicht, dass er etwas gegen die zweisprachige Tafel habe, doch um die gehe es ja nur an der Oberfläche. Vielmehr sei es die Volksgruppenförderung, die Deutschkärntnern sauer aufstoße: "Denn gerecht is des nit."

Besser empfiehlt einen Spaziergang durch die Hauptstraße: "Auf beiden Seiten gibt es eine Galerie. Die slowenische bekommt fünfmal so viel Fördergeld wie die Deutsche." Zu ähnlichen Ungerechtigkeiten führe die Amtssprachenregelung, die nun ausgedehnt werden soll. Wenn vom Schuldirektor bis zum Polizeikommandanten Slowenischkenntnisse Pflicht seien, kämen die Deutschsprachigen bei der Vergabe öffentlicher Posten zwangsläufig zu kurz, befürchtet er: "Letztlich könnte die Minderheit die Mehrheit regieren."

Weil die neue Amtsprachenregelung überdies rechtlich fragwürdige Ausnahmen für einzelne Gemeinden vorsieht, prophezeit Besser: "Es wird zur früh gefeiert. Der Friede wird nicht halten." (Gerald John, STANDARD-Printausgabe, 17.8.2011)