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Graz - Manchmal findet man sie noch zufällig auf Dachböden oder in Nachlässen: Handgeschriebene Kochbücher. An der Universitätsbibliothek (UB) Graz will man diese Kultur-Schätze nun ins Rampenlicht rücken und nutzbar machen. Für die kreative Küche aber auch die Philologie stellen sie eine wahre Fundgrube dar, so die Grazer Germanistin Helga Müllneritsch. Sie hat mehrere von ihnen auf ihre kultur- und literatursoziologischen Besonderheiten hin untersucht. Einige Erkenntnisse sind bereits über Internet zugänglich.

Im Laufe des 18. Jahrhunderts hat die Zahl der handschriftlichen Kochbücher zugenommen, die vor allem von vornehmeren Frauen oft bei professionellen Schreiberinnen und Schreibern in Auftrag gegeben oder selbst gestaltet werden, so Müllneritsch. Im Gegensatz zu den gedruckten Kochbüchern oder den Handschriften des 14. bis 16. Jahrhunderts seien diese Texte bisher jedoch nur unzureichend ediert und ausgewertet. Dabei können diese Dokumente wertvolle Einblicke in die Kochkunst einer Region oder den privaten Sprachgebrauch, aber auch über die sozialen Umstände in ihrer Entstehungszeit verraten.

Kochen mit den Jahreszeiten

Müllneritsch hat Kochbücher aus dem 18. Jahrhundert aus dem Entstehungsraum Steiermark, Salzburg und Oberösterreich unter die Lupe genommen. Eines der Ergebnisse: Was heute als umweltbewusst und nachhaltig gilt, war damals ein Zwang - die Küche war den Jahreszeiten streng angepasst: "Man war von den Zutaten her extrem eingeschränkt und konnte sich in gewissen Zeiträumen kaum abwechslungsreich ernähren", schilderte die Germanistin. Lebensmittel wie Erdäpfel oder Kürbis scheinen dennoch überhaupt nicht auf den Tisch gekommen zu sein: Sie galten als Schweinefutter. Auch Mais, Zucchini, Paradeiser und Melanzani werden in einem von ihr untersuchten Grazer Frauenkochbuch von 1818 - möglicherweise aus ähnlichen Gründen - nicht erwähnt.

Allgemein war die Küche vor 200 Jahren einerseits schwer verdaulich, andererseits hielten bereits erste kreative Geschmackskombinationen - hauptsächlich in Richtung süß-sauer - Einzug. Eines steht fest: Für Einsteiger in die Kunst des Kochens sind die Rezeptsammlungen nicht geeignet: "Maß - und Gewichtsangaben fehlen häufig. Werden sie angeführt, so geschieht dies nur bei besonders teuren Zutaten wie etwa seltenen Gewürzen oder bei Backrezepten, bei denen die Ausgewogenheit der Ingredienzen für das Ergebnis unverzichtbar ist", berichtete die Germanistin. Ebenso fehlt die Erläuterung einzelner Arbeitsschritte oder ist höchst ungenau: "Es wird vorausgesetzt, dass die Rezipientin oder der Rezipient im Kochen bereits ein hohes Maß an Übung besitzt."

Sprachlichen Besonderheiten

Mehr als 200 Seiten hat Müllneritsch bereits transkribiert, weitere 400 sind in Arbeit. Nun will die Germanistin die sprachlichen Besonderheiten der Handschriften untersuchen und ihre Ursprünge aufstöbern: Fremdwörter, die in gedruckten Texten aufscheinen, würden beispielsweise mit einer geringeren Zuverlässigkeit zeigen, ob diese auch tatsächlich Verwendung fanden. Findet man sie jedoch in handschriftlichen Kochbuchtexten, so lässt sich auf einen höheren Grad ihrer Geläufigkeit schließen.

Einige Kochbuchhandschriften finden sich samt Glossaren, Transkriptionen, Rezeptregister und Image-files bereits auf der "Grazer Kochbuchplattform" an der Unibibliothek Graz (UB) bereits ediert. Sie soll laufend erweitert werden und damit den Zugang auch für nicht sprachwissenschaftliche Interessenten erleichtern, so der Initiator der Plattform und ehemalige Leiter der Sondersammlungen der UB Graz, Hans Zotter. (red/APA)