"Astana" - Hauptstadt von Kasachstan.

Foto: Michael Eisenriegler
Foto: Michael Eisenriegler

Wir haben viel Zeit verloren, die beiden ungeplanten Zwischenstopps in Polen und an der ukrainisch-russischen Grenze haben uns um über eine Woche zurückgeworfen. Diese Zeit gilt es nun - zumindest zum Teil - wieder aufzuholen. Der Hauptgrund: Die russisch-mongolische Grenze ist, laut Informationen früherer Mongol Rally-Teilnehmer, am Wochenende geschlossen oder zumindest nur sehr eingeschränkt in Betrieb. Wer sich dort nicht spätestens am Mittwoch anstellt kommt womöglich erst am Montag durch. Nochmals vier Tage an einer Grenze würden wir nervlich nur schwer verkraften. Wir beschließen also, Prioritäten zu setzen und bis Astana mehr oder minder durchzufahren.

Wir verlassen den russischen Zoll erst am frühen Abend und beginnen unser Rennen gegen die Zeit. Erst kurz vor Wolgograd nehmen wir spätnachts ein Zimmer in einem erbärmlich heruntergekommenen Motel.

Weiter geht's im Morgengrauen nach Saratov, dort angekommen gönnen wir uns ein edles Appartement-Hotel in einer Plattenbausiedlung. Wir lernen am nächsten Morgen wieder mal die bittere Lektion, dass Wegweiser in russischen Städten Seltenheitswert besitzen und verfahren uns gründlich beim Verlassen der Stadt. Wieder viel Zeit verloren.

Müsliriegel und Eintönigkeit

Die nächsten vier Tage könnten eintöniger nicht sein: Russische Landstraßen voll mit riesigen Trucks, Bodenwellen, Schlaglöchern und waghalsig überholenden Autofahrern. Wir spulen Kilometer um Kilometer routiniert ab, alle drei Stunden Fahrerwechsel, nur kurze Pausen, Müsliriegel. Nach sechs Stunden Schlaf im Gobi Bären geht es sogleich weiter, wir fahren jeden Tag 14 bis 17 Stunden. Die einzige Abwechslung bieten uns die Überquerung des Ural und zwei Ausflüge auf Nebenstraßen in die Landschaft. Der erste ist ungeplant und wirft uns wieder um zwei Stunden zurück, aber immerhin sehen wir einmal etwas anderes als nur Trucks und Tankstellen, nämlich Wiesen, Seen und eine märchenhafte Landschaft. Den zweiten kalkulieren wir bewusst, denn die Hauptverbindungsstraße von Moskau nach Wladiwostok, auf der wir uns nun im Abschnitt zwischen Ufa und Tscheljabinsk bewegen, raubt uns die Nerven.

Wir beschließen also, den Weg zur kasachischen Grenze abzukürzen, fahren vor Tscheljabinsk von der Hauptstraße ab und über Nebenstraßen in Richtung Troitsk. Der fast volle Mond geht auf und wir fahren in der Abenddämmerung durch dichte sibirische Birkenwälder, über sanfte Hügel, vorbei an Bauernhöfen und kleinen Dörfern. An einigen Stellen liegen dichte Nebelschwaden knapp über der Straße und der Moorlandschaft, zusammen mit dem riesigen Mond fühlen wir uns in ein Set aus einem Hollywood-Horrorfilm der 50er Jahre hineinversetzt.

Wir schaffen es auch tatsächlich bis nach Troitsk, der trostlosen Grenzstadt zu Kasachstan. Nur mittlerweile ist es so spät, dass dort schon die Straßenbeleuchtung gelöscht wird, weit und breit kein Hotel in Sicht. Horden betrunkener Jugendlicher mit ihren Ladas machen den Ort auch nicht einladender und wir beschließen, zur Grenze weiterzufahren. Auf den paar Kilometern zur Grenze gibt es ebenfalls keinerlei Infrastruktur, kein Motel und auch keine Tankstelle, die wir jetzt schon sehr dringend benötigen würden. Also fahren wir über die Grenze.

Mittlerweile ist es nach zwei Uhr morgens kasachischer Zeit, wir sitzen seit 17 Stunden und 911 Kilometern im Auto. Zum Glück sind die Grenzkontrollen hier vergleichsweise harmlos, da Russland und Kasachstan seit einem Monat eine Zollunion bilden. Wir schlafen wieder mal auf einem Grenzparkplatz, diesmal freiwillig.

Viel Öl, wenig Sprit

Kasachstan mag ein ölreiches Land sein, aber Tankstellen sind rar, und wenn es sie gibt, dann sind sie entweder kaputt oder geschlossen oder sie verkaufen keinen Diesel. Diesel ist hier seit einigen Wochen - ebenso wie in der Westmongolei - Mangelware, angeblich, weil "die Japaner" sämtliche Vorräte Zentralasiens aufgekauft haben. Schließlich finden wir doch noch eine Tankstelle und füllen gleich auch unsere Reservekanister auf, man weiß ja nie.

Durch Kraterlandschaften

Weiter geht es durch eine Landschaft, die flacher nicht sein könnte. Auf allen Seiten erstrecken sich Felder bis zum Horizont, die Sonne brennt erbarmungslos, kaum Dörfer, kaum Menschen, keine Infrastruktur. Die Hauptstraße nach Astana ist anfänglich noch in sehr gutem Zustand, aber nach und nach wird sie zur Schlaglochpiste, nicht anders als in der Ukraine oder Russland. Der Sonnenuntergang über der Steppe ist spektakulär und die Straße wird immer schlechter. Der Nachteil des Sonnenuntergangs ist, dass man die Schlaglöcher kaum noch erkennen kann. Und sie werden immer mehr. Schließlich landen wir auf einer Straße, die diesen Namen nicht mehr verdient, ein Krater reiht sich an den nächsten.

Findige Anwohner haben, so finden wir leider erst ziemlich spät heraus, Feldwege entlang der Straße angelegt, um diese zu vermeiden. Der Gobi Bär darf nun erstmals ins Gelände und wir bereuen, keine Zusatzscheinwerfer gekauft zu haben. Für 30 Kilometer benötigen wir drei Stunden, an eine Weiterfahrt ins noch 300 Kilometer entfernte Astana ist heute nicht mehr zu denken, am Ende der Schlaglochpiste legen wir uns wieder mal ein paar Stunden auf unsere Krankenliegen.

Frühmorgens geht es wieder weiter. Die Straße ist jetzt besser, der Gobi Bär wird nur noch gelegentlich durchgeschüttelt. An der Landschaft hat sich nichts geändert, aber nach wenigen Stunden Fahrt entdecken wir am Horizont die glitzernde Skyline der größtenteils erst in den 90er Jahren am Reißbrett geplanten Steppenmetropole Astana. "Astana" bedeutet übrigens "Hauptstadt", was ungefähr so originell ist, wie wenn man seinen Dackel "Dackel" nennt. Wie auch immer, wir gönnen uns einen halben Tag Pause.