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Leerverkäufe sollen eingedämmt werden.

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Vier Euro-Länder wollen Marktturbulenzen durch das vorläufige Verbot hochspekulativer Börsengeschäfte eindämmen. Frankreich, Italien, Spanien und Belgien untersagten ab Freitag bestimmte Leerverkäufe. Betroffen von dem Verbot sind Finanztitel. Die europäische Finanzmarktaufsicht ESMA teilte am späten Donnerstagabend mit, die nationalen Börsenaufsichten würden rasch und entschieden gegen den Missbrauch von Marktregeln vorgehen. Zwar seien Leerverkäufe für sich genommen eine zulässige Handelsstrategie. Doch in Verbindung mit der Verbreitung von Marktgerüchten handele es sich um einen klaren Regelverstoß.

In Wien sind ungedeckte Leerverkäufe (Anm.: Bei dieser Art von Geschäften haben Investoren die verkauften Papiere sich noch nicht einmal geliehen, was die Risiken noch erhöht) von Finanztiteln seit der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers im Herbst 2008 untersagt. Die heimische Finanzmarktaufsicht FMA hat die Regelung heuer im Frühling bis Ende November verlängert. Betroffen sind die Titel von Erste Group Bank, Raiffeisen Bank International, Uniqa und Vienna Insurance. Auch in Deutschland sind ungedeckte Leerverkäufe von Aktien und Staatsanleihen von Euroländern per Gesetz ganz verboten.

Für europaweites Verbot

Die französische Aufsicht AMF kündigte ein 15-tägiges Verbot für die Aktien von elf Banken und Versicherern an. Dazu zählen Societe Generale, BNP Paribas, Credit Agricole und Axa. In Spanien sollen 16 Finanztitel über 15 Tage geschützt werden, darunter Santander und BBVA. Der belgische Regulierer will Leerverkäufe von vier Finanzwerten für eine unbegrenzte Periode unterbinden. In Italien sind nach Angaben der italienischen Börsenaufsicht Consob auch die Aktien von 29 Banken und Versicherern betroffen. An der Athener Börse wurden nach massiven Kursverlusten bereits Leerverkäufe für zwei Monate verboten.

Die deutsche Regierung sprach sich nach der Maßnahme für ein europaweites Verbot aus. Nur so könne einer zerstörerischen Spekulation überzeugend begegnet werden, erklärte das deutsche Finanzministerium. Die EU verhandelt derzeit über eine europaweite Verordnung. Möglicherweise könne schon im September ein Kompromiss gefunden werden, kündigte ein Sprecher des Binnenmarkt-Kommissars Michel Barnier an. Großbritannien will dabei allerdings nicht mitmachen: Es gebe keine entsprechenden Pläne sagte ein Regierungssprecher.

Börsianer nicht begeistert

Als Leerverkäufe auf Finanztitel nach der Pleite der US- Investmentbank Lehman 2008 für drei Wochen fast überall auf der Welt verboten waren, konnte das den Kursverfall nicht aufhalten. Die Politik konnte die Finanzmärkte mit dem Verbot am Ende aber doch noch beruhigen. Nachdem die Kurse französischer, italienischer und spanischer Banken am Freitag in der ersten Handelsstunde in einer Spanne von minus sechs bis plus vier Prozent schwankten, gab es zu Börsenschluss Entspannung auf breiter Front. Die Marktplätze verabschiedeten sich nach den turbulenten Tagen mit einem versöhnlichen Wochenausklang (siehe Marktberichte).

Börsianer selbst bezeichneten das Verbot als nutzlos. "Wenn ich die Aktien in meinem Land nicht mehr leer verkaufen kann, dann tue ich das eben im Ausland", betonte Marktanalyst Heino Ruland von Ruland Research. In London, dem größten europäischen Finanzplatz, sind diese Geschäfte beispielsweise weiter erlaubt.

"Es ist höchst unwahrscheinlich, dass ein weiterer Ausverkauf dadurch verhindert wird", sagte auch Aktienhändler Manoj Ladwa von ETX Capital. Investoren würden dann einfach einen kurzfristigen Kursanstieg wie am Donnerstag abwarten, um sich von ihren Titeln zu trennen.

Alternativen zum Leerverkauf

Daneben gibt es weitere Möglichkeiten, auf sinkende Kurse zu setzen - und wenn genug Anleger dies tun, weil sie pessimistisch sind, dann kann es leicht zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung kommen. Eine Möglichkeit ist etwa der Kauf einer Put-Option. Dabei sichert sich der Käufer das Recht, eine Aktie zu einem bestimmten Zeitpunkt zu einem Festpreis zu verkaufen mit dem Hintergedanken, sie dann am Markt billiger zu erwerben und die Differenz einzustreichen. An diesen Wetten kann sich auch Otto Normalanleger beteiligen.

Etwas komplizierter ist der Weg über Futures. Dabei verkauft ein Anleger einen Terminkontrakt auf einen Index wie zum Beispiel den deutschen DAX. Anschließend kauft er gezielt so genannte Mini-Futures auf einzelne Index-Mitglieder wieder zurück. Kontrakte auf diejenigen Titel, bei denen er mit weiteren Kursverlusten rechnet, spart er dabei bewusst aus.

Gerüchte

Am Mittwoch hatten Gerüchte über angebliche Zahlungsschwierigkeiten der französischen Großbank Societe Generale die Runde gemacht und damit eine neue Verkaufslawine an den europäischen Aktienmärkten losgetreten. Experten zufolge können Finanzwerte als Vehikel für Spekulationen auf die wirtschaftliche Stärke eines Landes genutzt werden. "Wenn man zum Beispiel auf Verluste bei französischen Anleihen wetten will, sind Leerverkäufe französischer Banken sehr vielversprechend", sagte ein Risiko-Manager einer großen europäischen Bank. Die Banken hatten die Gerüchte zurückgewiesen, die Ratingagenturen ihren Ausblick für die Top-Bonitätsnote Frankreichs bekräftigt. (Reuters/rb, derStandard.at, 12.8.2011)