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Anti-Assad-Protest in Tripolis

Foto: Reuters/Omar Ibrahim

Der Konflikt in Syrien bringt einen gewaltigen Kollateralschaden für die libanesische Hisbollah mit sich. Die schiitische Organisation, die von Teheran und Damaskus unterstützt wird, ist militärisch stärker denn je und politisch so einflussreich wie nie zuvor: Erstmals ist ja im Libanon mit Najib Mikati ein von der Hisbollah gemachter Ministerpräsident im Amt. Und dennoch ist die Hisbollah an einem Tiefpunkt, was ihr Ansehen anlangt, im Libanon und in Syrien, aber auch im Rest der arabischen Welt, die ihr sonst Respekt für ihre Widerständigkeit zollte, insbesondere dafür, aus dem Krieg mit Israel 2006 ungebrochen hervorgegangen zu sein.

Ihr „double standard" - sonst immer ein ständiger Vorwurf an die USA - angesichts der arabischen Protestbewegungen ist eklatant. In Ägypten, Tunesien, Jemen und Bahrain war die Hisbollah - wie ja der Iran auch - auf der Seite der Demonstranten gegen die dem Westen genehmen Regime. Zum Aufstand in Syrien äußerte sich Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah hingegen sofort zugunsten des „Widerstands-Regimes" in Damaskus: Bashar al-Assad sei ein Reformer, die Protestierenden agierten zugunsten Israels und der USA.

Wobei dieser Aspekt gar nicht geleugnet werden kann: Mit dem Sturz Assads die über Damaskus laufende iranische Lebensader der Hisbollah abzuschneiden und den Iran aus der Region zu drängen, ist eine der Attraktionen des „regime change"-Szenarios - auch für Beobachter, die stark daran zweifeln, ob es nach Assads Abgang nicht zu einem Bürgerkrieg und einem islamistischen Machtanspruch in Syrien kommen könnte, mit allen unangenehmen Folgen für den direkten Nachbarn Israel.

Der Ärger über die Haltung der Hisbollah ist in Syrien-kritischen Kreisen im Libanon jedenfalls so groß, dass bei Demonstrationen zur Unterstützung der syrischen Protestbewegung sogar Hisbollah-Fahnen verbrannt werden. Auch der sunnitische Ministerpräsident Mikati, Premier von Hisbollahs Gnaden, ist dabei im Dilemma: Seine Herkunftsstadt Tripolis ist Schauplatz von starken sunnitischen Anti-Assad-Protesten, denen sich Mikatis Partei, die in Tripolis starke Zukunftsbewegung, aber nicht anschließt und so das Feld den radikalen sunnitischen Islamisten überlässt.

Auch die protestierenden Syrer bekommen mit, dass die Hisbollah, die sich als Volkspartei gibt, mit dem Volk prompt nichts mehr im Sinn hat, wenn es um ihre eigenen Interessen geht. Die Syrer und Syrerinnen, so ist die Meinung in Syrien, hätten als Verbündete der Hisbollah jahrelang große politische Opfer gebracht - angesichts der mangelnden Solidarität werde es damit vorbei sein, sobald Assad weg ist. Auch auf den Straßen anderer arabischer Ländern wird jetzt die Hisbollah - der man ihr Schiitisch-Sein wegen ihres „Widerstands" gegen Israel nachsah -, jetzt wieder als „fremd", vom Iran implantiert, empfunden.

An der Hisbollah-Reputation rütteln auch die Anklagen des von der Uno eingerichteten „Special Tribunal for Lebanon" (STL) gegen vier Hisbollah-Mitglieder: Sie sollen für den Mord am sunnitischen libanesischen Expremier Rafik al-Hariri im Jahr 2005 verantwortlich sein. Eine vor einem Monat ergangene Aufforderung des Tribunals an den Libanon, die vier Männer sollten sich dem STL zur Verfügung stellen, wurde dieser Tage aus Beirut dahingehend beantwortet, dass sie unauffindbar seien. Immer mehr Libanesen empfinden, dass die Hisbollah das Land in Geiselhaft hält und keine normalen internationalen Beziehungen möglich sein werden, so lange die Organisation nicht in ihre Schranken verwiesen - und entwaffnet! - wird.

All das hat dazu geführt, dass sich die Hisbollah jetzt mit Äußerungen zu Syrien zurückhält. Behauptungen, dass Hisbollah-Kämpfer - wie ja auch angeblich Iraner - an der Seite von Assads Sicherheitskräften gegen syrische Demonstranten vorgehen würden, hat die Organisation energisch dementiert. Eine gewisse Gefahr besteht darin, dass die ins Eck getriebene Hisbollah darauf setzt, auf einem antiisraelischen Ticket am ehesten wieder herauszukommen, und den Konflikt mit Israel wieder eskaliert: Dazu bietet sich der Streit zwischen dem Libanon und Israel über die vor der Küste liegenden Gasvorkommen an, eine Frage, bei der auf einen Schlag alle Libanesen wieder in einer Front vereint wären.