In der ersten Hälfte stand dem slowakischen 4-2-3-1 ein 4-4-1-1  Österreichs entgegen.

Grafik: derStandard.at/ballverliebt.eu

Während Constantini sein System veränderte (hier die Version ab der 60. Minute), spielten die Slowaken auch nach ihren sechs Wechseln immer noch in derselben Grundordnung.

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Das Ergebnis blendet manchmal über die tatsächliche Leistung hinweg. Auch das 1:2, das Österreich gestern gegen die Slowakei einstecken musste, sieht auf den ersten Blick nicht dramatisch aus. Doch dass Niederlagen nicht dauerhaft und gegen jeden als Fortschritt verkauft werden können, dürfte langsam jedem einleuchten. Insofern wäre der folgende Text schwieriger zu argumentieren gewesen, hätte Martin Harnik eine seiner Chancen ins Tor gesetzt. Dafür, dass er das nicht gemacht hat, kann Dietmar Constantini natürlich nichts - aber hätte Harnik sie gemacht und Österreich womöglich gewonnen, dann könnte der Trainer eben auch nichts dafür.

Österreich startete zum dritten Mal in Folge mit einem 4-4-1-1. Durfte gegen Deutschland noch Erwin Hoffer die Solospitze spielen und gegen Lettland Roman Kienast von Beginn weg starten, bekam gegen die Slowakei Marc Janko den Vorzug. Die Aufstellung des Gegners war auch schnell als ein gewöhnlicheres 4-2-3-1 zu entlarven. Zahlreiche Akteure der erfolgreichen WM 2010 fehlten aus verschiedenen Gründen. Andere, wie Starkapitän Marek Hamsik spielten auf anderen Positionen als in Südafrika. Dort hatte der Napoli-Spieler oft in der Zentrale agiert, in Klagenfurt startete er hingegen auf er rechten Flanke.

Österreichs Flügel einfach gestutzt

Dort beschäftigte er Christian Fuchs und hemmte damit dessen Offensivkapazitäten, ebenso wie Vladimir Weiss das auf der anderen Seite mit Florian Klein machte. Nur in wenigen Situationen konnten die beiden sich nach vorne orientieren und Flanken schlagen - und fast immer wurde es dann auch gefährlich. Fuchs legte Martin Harnik den von Mucha parierten Kopfball auf (34.) und brachte einen Ball zur Mitte, den niemand attackierte (41.), Klein war beim Anschlusstor von Erwin Hoffer in der zweiten Hälfte einmal weit genug mitgekommen (62.).

Die Präsenz der beiden starken slowakischen Flügel genügten ansonsten, um das österreichische Flankenspiel zu kastrieren und Janko vorne zu isolieren. Zusätzlich zu deren Stärke hatte das österreichische System nämlich ein strukturelles Problem: Die zwei Mittelfeldspieler Julian Baumgartlinger und Stefan Kulovits waren gegen Jez, Guede und Kucka permanent in Unterzahl. Das zwang die Außenspieler David Alaba und Zlatko Junuzovic dazu, in dieser kritischen Zone auszuhelfen. Die Wege für sie zum Flankenspiel waren deshalb weit. Janko hing dadurch in der Luft und wurde nicht gemäß seiner Stärken bedient. Alles was er zu sehen bekam, waren hohe Bälle von weit hinten, die er technisch schwierig auf umstehende Mitspieler weiterleiten sollte. Die einzige Flanke, die für ihn verwertbar gewesen wäre, köpfelte Kopfballmonster Hoffer ihm vor der Nase ins Tor, als dieser sich schön von seinem Gegenspieler lösen konnte, weil Harnik diesen im Strafraum am kurzen Eck für den Bruchteil einer Sekunde beunruhigte.

Tore als Folge des Problems

Als weiterer negativer Nebeneffekt der vielen zentralen Defensivarbeit der österreichischen Mittelfeld-Außenspieler, waren auch die slowakischen Außenverteidiger kaum hinten gebunden und konnten im Angriff als Anspielstationen und Helfer agieren. Beide Gegentore fielen über diese Schwächen der Österreicher.

Bei Tor Nummer 1 (21.) - kurz nachdem die Slowaken zum ersten Mal einen Gang zulegten - arbeitete sich der rechte Außenverteidiger Pekarik so lange an der Seitenlinie vor, bis er eine Ecke erzwingen konnte (bei der Aleksandar Dragovic dann ein Kopfballduell verlor).

Bei Tor Nummer 2 (30.) musste Junuzovic so weit links aushelfen, dass für den entscheidenden Vorstoß über Cech und Weiss auf der linken Seite schlussendlich viel Zeit und Platz blieb (wobei ich die Abseitsposition für unübersehbar und schade halte, aber denke, dass die Aktion auch ohne sie funktioniert hätte).

Damit hatten die Gäste ihre Schuldigkeit in diesem Spiel auch schon getan und verlagerten sich eher darauf, defensiv gut zu stehen. Nur vereinzelte Vorstöße über Hamsik deuteten immer wieder an, dass sie schon anders könnten. Geglänzt haben aber auch sie am Mittwochabend nicht - auch weil die Notwendigkeit nicht bestand. 

Ballbesitz ohne Wirkung und nachhaltige Philosophie

Österreich hatte den Ballbesitz für sich - viel davon. Schon in den ersten 15 Minuten zeigte das TV-Insert einen 62-prozentigen Anteil an. Bis dahin (wie nahezu über die gesamte Spielzeit) konnten die Österreicher daraus aber keine Chancen erzeugen. Alle Gefahrensituationen entsprangen herausragenden Einzelaktionen von Harnik und Alaba (11., 37., 38.) - meist nach durch überzeugendes Pressing im Mittelfeld eingeleiteten Kontern. Wieder einmal erwies sich das ÖFB-Team dank der Qualität der einzelnen Spieler als in der Reaktion durchaus gefährlich, im eigenen Agieren gegen geordnete Gegner aber als komplett planlos.

Auf das gegen Deutschland und Lettland zur neuen Maxime erhobene Kurzpassspiel, wurde nun wieder völlig verzichtet. Bei den wenigen Versuchen zeigte sich auch, dass Laufwege weiterhin nicht wirklich abgestimmt erscheinen und Kombinationen deshalb nicht flüssig oder genau genug gespielt werden können. Auch fehlte zumeist mindestens eine alternative Anspielstation für den ballführenden Spieler, was die Versuche sehr ausrechenbar machte. Da einige viel versprechenden Ansätze eines Kurzpassspiels Constantini in den vergangenen beiden Spielen den Job rettete, muss man nach der Richtung fragen, in welche er die Mannschaft entwickeln möchte - im 21. Spiel seiner Amtszeit ein unerträglicher Zustand.

Keine Reaktion auf die Unterzahl im Zentrum

Die Spieleröffnung konnte natürlich nicht über das zahlenmäßig benachteiligte zentrale Mittelfeld stattfinden. Dafür ist Kulovits - wie schon hier beschrieben - einfach kreativ zu limitiert und Baumgartlinger kann das ohne zumindest einen Helfer nicht aufziehen. Dazu war auch seine Rolle zu wenig ausgeklügelt. Um aus der Tiefe heraus zu verteilen, ließ er sich nicht weit genug zurückfallen. Um vorne auszuhelfen musste er zu weit hinter Kulovits agieren. Dementsprechend war es keine schlechte Idee von Constantini, Alaba zur Pause an die Stelle von Kulovits zu stellen und diesen durch den Flankendribbler Daniel Royer zu ersetzen. Endlich waren zwei defensiv verlässliche, aber auch offensiv vielseitige Spieler im tiefen Mittelfeld zu finden.

Als ergänzende Maßnahme hätte es aber Sinn ergeben, das österreichische System in ein echtes 4-2-3-1 umzubauen - etwa den rechts vergeudeten und auch wenig inszenierten Junzovic vor die beiden Zentralen zu ziehen und Royer und Harnik über die Seiten kommen zu lassen um Janko zu bedienen. Constantini hingegen beließ die Mitte unterbesetzt (und die Flügel zu weit an den Seiten um den tiefer stehenden Baumgartlinger und den höher agierenden David Alaba zu unterstützen - und so war dort auch mit diesen beiden Spielern kein Durchkommen). Zudem veränderten die Slowaken ihre Besetzung und beorderten Hamsik nun gegen Alaba zur Mitte.

Vorgegaukeltes Risiko

Das Spiel eröffnete weiterhin die Innenverteidigung, die im defensiven Mittelfeld aus besagten Gründen keine Anspielstation fand, während Fuchs und Klein an den Seiten schneller unter Druck gesetzt wurden. Meist waren hohe Bälle in die Spitze angesagt (und wenig überraschend nie von Erfolg gekrönt). Nach zehn Minuten in der zweiten Hälfte wollte das ÖFB-Coachingteam offensichtlich mehr erzwingen. Aber statt auf die Probleme auf dem Feld zu reagieren, brachte Constantini seine gewohnte "Risikovariante" - also einen zweiten Stürmen, der das System in ein simples 4-4-2 verändert (siehe das zweite Bild links). Ein solches könnte man allerdings problemlos auch von Anfang an spielen, weil sich das tatsächliche Risiko in Grenzen hält.

Hoffer kam in diesem Fall für Junuzovic, um neben Janko zu stürmen, Harnik ging auf die rechte Seite. Damit wurde war das zentrale Mittelfeld endgültig ausgehöhlt, weil nun auch Harniks dortige Hilfsdienste und seine temporeichen Läufe aus der Tiefe wegfielen und das defensive Mittelfeld der Slowaken noch weniger Probleme hatte, Aktionen aus dieser Zone zu unterbinden.

Da die Slowaken ohnehin tief standen, gab es auch keine Räume um Hoffers Schnelligkeit auszuspielen, und an den Seiten fehlte es ebenfalls an Untersützung um Bälle von dort zur Mitte zu schlagen. Und so behielt Österreich zwar Ballbesitz, konnte aber selbst dann keine Chancen erzwingen, als man selbst das Spiel noch äußerst ernst nahm, die Slowaken aber schon die für Freundschaftsspiele üblichen Wechsel (sechs Stück) tätigten und ansonsten keine große Lust mehr hatten, sich in diesem Spiel noch gröber weh zu tun (was etwa ab der 70. Minute der Fall war).

Wieder hinkt die Coachingleistung den Spielern hinterher

Während das Ergebnis gegen einen (wenn auch personell stark veränderten) WM-Achtelfinalisten kein Grund zur Scham wäre, muss man die Leistung schlichtweg als unzureichend abtun. Dabei kann man keinem einzelnen Spieler die Schuld zuweisen, muss nicht über das mangelnde Engagement der Mannschaft klagen und kann sich auch nicht auf einen übermächtigen, hungrigen Gegner in Hochform rausreden. Es bleibt rein nach dem Ausschlussprinzip eine schwache Leistung des Trainerteams übrig, das diese Niederlage und die Harmlosigkeit im Versuch sie abzuwenden verschuldete.

Wieder änderte sich die generelle Spielanlage (und zwar nicht zum besseren). Wieder wurde auch im Rückstand systematisch nicht viel riskiert (sondern erst dann auf das umgestellt, was man von Beginn weg tun sollte). Wieder wurde auf offensichtliche Problemzonen am Feld nicht reagiert (sondern die Zonen aufgegeben). Wieder setzte es eine Niederlage gegen einen Gegner in Reichweite (der sich kein Bein ausriss).

Wie oft darf das Team Constantini-Zsak sich das in den Augen des ÖFB noch leisten? (tsc, derStandard.at, 11.8.2011)