Lustvoll und routiniert

Der elfte Life Ball war genau so, wie es das Publikum erwartete: Bunt, aufgedreht, sexy und durchgeknallt ... Kein Wunder: Schließlich sind die Besucher die Akteure und wer das Privileg genießt, dabei sein zu dürfen, muss seine und die kollektive Erwartungshaltung erfüllen.

Es gilt das olympische Prinzip: Dabeisein ist alles. Nur dass die "Sieger" woanders zu suchen sind: Sie werden von jenen Aids-Hilfe-Organisationen betreut, denen das Geld aus den Erlösen des Life Balles zukommt. In den vergangenen zehn Jahren waren das stolze 4,6 Millionen Euro. Aber das nur der Vollständigkeit halber.

Foto: andrea starl

Life Ball war. Am Samstag. Zum elften Mal. Und es ist - auch - jenem olympischen Prinzip zuzuschreiben, dass Gery Keszlers (im Bild) Aids-Charity-Party im Wiener Rathaus auch in ihrer zweiten Dekade immer noch - wenn auch mit leichten Reibungsverlusten - medial als aufregend und sexy beschrieben und vom Publikum daher auch so erlebt wird:

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Da wäre einmal die notorische Kartenknappheit (4000 Stück, abzüglich der Kontingente für Sponsoren, Helfer, Journalisten und Akteure).

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Dann die diese Knappheit vorgeblich bekämpfenden, in Wahrheit aber unterstreichenden Sonder-Aktionen für das Recht, ein Ticket kaufen zu dürfen. Und die gewaltige, mittlerweile eben über ein Jahrzehnt aufwändig gepflegte, Aura einer exzessiven, lauten und ausschweifenden Fete, die dennoch Niveau hat.

Allein die Kombination dieser Faktoren macht jeden, der an ein Ticket kommt, zum Gewinner. Wurscht, wie der Abend dann wirklich läuft: Seitenblicke & Co sagen nachher sowieso, dass es super war.

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Aber andererseits und ehrlich gesagt: Wann hat man als Normalsterblicher schon die Möglichkeit, Topmodels (etwa Alek Wek) an der Bar, echte und österreichische Prominente (Frank Stronach, Richard Lugner) auf der Tanzfläche und die "Velvet Mafia" (jene halbjungen Wiener Reich-&-Schönkörper, die sich gerne als "die Szene" bezeichnet sehen) in ihrer selbstherrlich-überheblichen Lächerlichkeit zu erleben? Eben. Darum gilt es, das olympische Prinzip.

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Am Samstag war es also wieder so weit. Life Ball war. Und weil es ganz ohne weiteren Dreh an der Eskalationsschraube halt doch nicht geht, sang Elton John - dessen Aids-Foundation eine der geförderten Organisationen ist - am Rathausplatz.

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Und anstatt einer "einfachen" Modeschau, zelebrierte danach das Modelabel Missoni das eigene, 50-jährige, Bestehen. Bunt, furios, ein bisserl zu lang - aber am Rathausplatz für jeden und jede mitzuerleben.

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Dass heuer im Gegensatz zu früher erstaunlich viele "echte" Models vor den 40.000 Zusehern über den Red-Ribbon-Laufsteg marschierten, störte nicht: Der Wiener liebt das Spektakel - und hübsche Mädchenpöpsche, Hans Krankl mit wehender Missoni-Fahne (hier im Bild) und Kommissar Rex (ja, der Hund) sind in einer lauen Maiennacht fein anzusehen.

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Später - im kleinen, intimen Kreis ("Dabeisein ..." usw. - Sie verstehen?) der 4000 Ticketinhaber verriet dann Sängerin Nena (hier im Bild) , ihr Laufstegauftritt habe ihr offenbart, dass das Mode-Vorführen den Menschen weder körperlich noch intellektuell überanstrengen würde - schon gar nicht bei jenen Summen, die hauptberufliche Kleiderständer kassieren.

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Freilich: Der Umkehrschluss, dass jeder zum Model tauge, ist unzulässig. Im Rathaus nämlich war jeder Ballbesucher eines.

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Aber während die echten von Profis eingekleidet werden, bastelt der Life-Ball-Gast zu Hause. Nach "Ideen", die seit Jahren bekannt sind - und dennoch immer noch als "schrill" gelten. Schließlich muss man ja auch beim Anders-Sein dazupassen: Barock-opulent.

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Oder leder-lackig-s/m-lastig. Oder - eigentlich: und - viel nackte Haut. Das kann gut - sehr sehr gut - gehen. Aber auch daneben. Und wenn, dann voll.

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Obwohl: Genau diese permanente Gratwanderung zwischen peinlich und scharf, lasziv und lächerlich macht heute den Reiz des Balles aus.

Foto: Andrea Starl

Ob Starlets von vorgestern (Samantha Fox) oder Sternchen ohne morgen (die Starmaniabande, Sieger Michi Tschuggnall hier im Bild) als Begleitmusik zum voyeuristischen Gewühle auftreten, tut wenig zur Sache:

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Der Spaß am Life Ball heißt eben "sehen und gesehen werden". Und das funktioniert nur nach dem olympischen Prinzip: Dabeisein ist alles. (Thomas Rottenberg/DER STANDARD; Printausgabe, 25.5.2003

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Fotos: Andrea Starl

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