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Südkorea – im Bild brennende Plakate bei einer Demonstration in Seoul im Jahr 2009 – beschuldigt Nordkorea, hinter zahlreichen Cyberattacken auf das eigene Land zu stehen.

Foto: AP/Lee

Nord- und Südkorea befinden sich seit mehr als 60 Jahren offiziell im Kriegszustand.

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Es war der bisher größte Fall von Datenklau in der Geschichte Südkoreas: Am 26. Juni hackten Unbekannte die Online-Plattform Nate und das soziale Netzwerk Cyworld, ein koreanisches Äquivalent zu Facebook. Daten von rund 35 Millionen Usern wurden gestohlen: Passwörter, Handynummern, E-Mail-Adressen.

In den vergangenen Jahren wurde Südkorea immer wieder Opfer von Cyberattacken, deren finanzielle Folgeschäden bereits in die Milliarden Euro gehen. Den Höhepunkt bildeten bisher die Angriffe vom 12. April auf die koreanische Nonghyup-Bank: Hacker legten den Server lahm - fast eine Woche lang konnte keiner der mehr als 20 Millionen Kunden Geld abheben, einzahlen oder auf Online-Banking zugreifen. Auch wenn klare Beweise fehlten, war bald ein Schuldiger gefunden: "Dies war ein noch nie da gewesener Akt von Cyberterrorismus durch Nordkorea" , wetterte Oberstaatsanwalt Kim Dae-young.

Der IT-Experte und Publizist Martyn Williams bleibt hingegen sehr skeptisch gegenüber Südkoreas Schuldzuweisungen: "Ich halte es sicher für möglich, dass Nordkorea hinter vielen Cyberanschlägen steht, aber ich würde gerne mehr Beweise sehen." Die jetzigen Indizien seien fast ausschließlich IP-Adressen (Identifizierungsnummern von Computern in Netzwerken), die sich leicht fälschen ließen.

Nord- und Südkorea befinden sich seit 1950 offiziell immer noch im Kriegszustand - ein Konflikt, der mittlerweile verstärkt über das Internet mit Maus und Tastatur ausgetragen wird. Für Laien scheint unbegreiflich, wie Nordkorea zur "Cybergefahr" für Südkorea werden kann. Ersteres Land hat Schwierigkeiten, überhaupt die eigene Stromversorgung sicherzustellen, der Süden ist hingegen laut OECD das am besten vernetzte Land der Welt.

Doch genau dieser Umstand bietet eine große Angriffsfläche. Und Cyberkrieg, so sind sich Experten sicher, sei für Nordkorea im Gegensatz zur herkömmlichen Kriegsführung eine kostengünstige Methode, um die Wirtschaft des Südens zu schädigen.

Kaderschmiede

Nordkorea entwickelt bereits strategisch seine Cyberarmee: Auf einem Fachseminar für Internet-Sicherheit Anfang August in Seoul behauptete der nordkoreanische Flüchtling und ehemalige Professor Kim Heung-kwang, dass Machthaber Kim Jong-il seine Cyberarmee im vergangenen Jahr von 500 auf 3000 professionelle Hacker aufgestockt habe.

Nach seinen Angaben siebe das Regime schon im Schulalter besondere Talente aus, die dann in spezielle Oberschulen gesteckt würden. Nach einem Elitestudium absolvierten sie ein einjähriges Trainingsprogramm im Ausland, meist China oder Russland, um ihre Fähigkeiten im Hacken zu festigen. Ziel der Cybersoldaten seien nach Kims Angaben die südkoreanische Regierung, aber auch internationale Unternehmen.

Südkorea nimmt die Bedrohung dementsprechend ernst: Neben einem Cyber-Security-Center, welches sich mit der Abwehr und Prävention von Hacker-Angriffen beschäftigt, wurde an der renommierten Korea-Universität ein eigener Cyber-Defense-Masterlehrgang installiert. Künftig sollen dort Studenten ausgebildet werden, um die nordkoreanische Internet-Armee zu bekämpfen. (Fabian Kretschmer aus Seoul/DER STANDARD, Printausgabe, 11.8.2011)