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Als könnte er kein Wässerchen trüben: Walter Ulbricht auf einem Foto aus dem Jahr 1961

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Berlin - Während Deutschland des "Jubiläums" 50 Jahre Mauerbau gedenkt, nehmen Historiker die damaligen politischen Rahmenbedingungen unter die Lupe. Und erteilen dem nach der deutschen Wiedervereinigung von ehemaligen SED-Funktionären oft gehörten Argument eine Abfuhr, die Abriegelung West-Berlins wäre ein von der Sowjet-Regierung angeordneter Akt gewesen, für den die Funktionäre in der DDR keine Verantwortung trugen..

Stattdessen war der damalige DDR-Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht die treibende Kraft hinter dem Mauerbau, berichtet der Potsdamer Historiker Martin Sabrow in der neuen Ausgabe des Leibniz-Journals zum Schwerpunktthema "Grenzen", für das er den themenbezogenen Forschungsstand zusammenfasste. Ulbricht setzte seinen Willen demnach auch gegen den des sowjetischen Staatschefs Nikita Chruschtschow durch.

Unterschiedliche Interessen

Sabrow sieht im Vorfeld des Mauerbaus gegenläufige Interessen von Ulbricht einerseits und Chruschtschow andererseits: Während Ulbricht mit der Abriegelung West-Berlins das weitere Ausbluten des ostdeutschen Staates durch die Massenflucht seiner Arbeitskräfte verhindern wollte, war Chruschtschow nicht gewillt, dadurch die Unterlegenheit des Sozialismus einzugestehen. Chruschtschow, der sich durch die sowjetische Atomrüstung weltpolitisch in der Offensive sah, wollte die Westalliierten zu einem deutschen Friedensvertrag mit einer "Freien Stadt" West-Berlin zwingen, über die er dann sukzessive die Kontrolle übernehmen wollte.

Ulbricht hingegen strebte zunächst nach der kurzfristigen Rettung der DDR durch eine Teilung Berlins, um dann einen einseitigen Friedensvertrag mit der Sowjetunion abzuschließen - letztlich auch mit dem Ziel, West-Berlin über kurz oder lang der DDR einzuverleiben.

Chruschtschows Umschwenken

Letztlich überholte aber der Massenexodus aus der unattraktiven DDR in die Bundesrepublik die weltpolitischen Offensivpläne Chruschtschows, so dass dieser sich im Juli 1961 ganz in den Dienst der Pläne Ulbrichts stellte und den Weg für die DDR-Führung zum Mauerbau freimachte. Aber auch damit ging das Kalkül des SED-Staates nicht auf: Die Mauer war nicht das erwartete Druckmittel gegenüber den Westalliierten, um diese zu einem Friedensvertrag zu nötigen. Spätestens nach der Kuba-Krise 1962 und der damit verbundenen weltpolitischen Machteinbuße der Sowjetunion wurde aus der Mauer kein Provisorium, sondern ein Dauerzustand, der erst 28 Jahre später gemeinsam mit dem SED-Regime beendet wurde. (red)