Einen Lidschatten zu machen, will gelernt sein.

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Die Mädchen sind zwischen elf und 13 Jahre alt und ihr Aussehen ist ihnen wichtig. Es sind Sommerferien und wie viele andere Kinder auch, besuchen sie während dieser Zeit ein Camp. Es unterscheidet sich von anderen Ferienlagern, denn die Mädchen lernen nicht, wie man Fußball spielt oder reitet, sie lernen den Umgang mit Mascara, Kajal und Lipgloss.

Zwölf Mädchen haben sich zum einwöchigen Styling-Camp in Klosterneuburg angemeldet. Trainiert werden sie von Make-Up-Artist Evan. Sie ist 22 Jahre alt und weiß, worauf es den jungen Mädchen ankommt. Heute lernen sie, wie man Lidschatten aufträgt. Danach gibt es eine kurze Stilberatung und die Mädchen bekommen gezeigt, wie man "smokey eyes", also tief schwarz geschminkte Augen, macht.

Jedes Mädchen nimmt vor seinem Spiegel Platz. Im Kurspreis inbegriffen sind eine Wimperntusche, ein Lipgloss und Rouge. Die Utensilien liegen griffbereit am Tisch. Und los geht es. "Wir beginnen mit der Gesichtsreinigung", gibt Evan Anweisungen. Dann wird der helle Lidschatten aufgetragen und mit den Fingern am Lid verwischt. "Das wichtigste ist, dass keine Flecken entstehen", erklärt Evan.

Schminken für die Schule

Karo und Laura sind zwei Camp-Teilnehmerinnen. Beide sind zwölf Jahre alt und kommen nach den Ferien in die dritte Klasse eines Wiener Gymnasiums. Karo erklärt: "Ich wollte wissen, wie ich mich am besten für die Schule schminke, deshalb habe ich mich angemeldet." Laura sagt: "Ich mache mit, damit ich ein bisschen schöner aussehe und den Buben gefalle."

Schon im vorigen Schuljahr haben sich die beiden für die Schule geschminkt, erzählen sie. In ihrem Alter ist das noch eher ungewöhnlich, sagt Karo. Laura ergänzt: "Andere Mädchen bezeichnen uns deshalb auch als Tussis, aber das ist mir egal."

Mit zehn Jahren zu jung

Ihre Mütter hätten nichts dagegen, sagen beide Mädchen. Auch damit, dass sie beim Styling-Camp mitmachen, seien die Eltern einverstanden gewesen. "Es ist nicht nötig, sich zu schminken, wenn man erst zehn ist", erklärt Laura, "aber mit elf oder zwölf ist das schon ok."

Den Lidschatten haben in der Zwischenzeit alle Mädchen aufgetragen, die Wimpern sind getuscht. Evan ist zufrieden mit dem Werk der Mädchen. Sie dürfen sich wieder abschminken.

T-Shirt in die Altkleidersammlung

Es folgt die Stilberatung. Folgende Aufgabenstellung haben die Mädchen am Vortag erhalten: Sie sollten etwas aus ihrem Kleiderkasten auswählen, das sie nur selten anziehen, weil sie unsicher sind, ob es ihnen steht. Evan will sich heute anschauen, ob das tatsächlich auch so ist. Karo hat ein T-Shirt mit Rüsch-Ärmeln mitgebracht. Sie findet es zu verspielt, es mache sie zu lieblich. Dieser Meinung ist die gesamte Gruppe. Das Ergebnis: Karo, die ihren Kasten ohnehin schon ausmisten wollte, wird das Shirt zur Altkleidersammlung bringen.

Laura hat eine ärmellose Jeans-Weste an. "Sie steht dir besser, wenn du sie nicht zuknöpfst", sagt Evan. Laura ist über den Tipp dankbar.

"Action, Abenteuer, Spaß"

Organisiert wird das Styling-Camp von der Organisation "Champion Ferien Camps". Neun Wochen im Sommer werden verschiedenste Lager angeboten: Von Fußball über Tennis, hin zu "Wildlife" oder Inline-Skating. "Wir bieten mehr als Betreuung", erklärt Walter Wanka, ein Mitarbeiter der Firma. "Die Kinder wollen Action, Abenteuer, Spaß", sagt er. Pro Woche nehmen ca. 200 Schüler teil.

Der Bedarf an Camps ist in den letzten Jahren gestiegen, so Wanka. Er führt das auf geänderte Familienstrukturen zurück. Großeltern oder Tanten hätten nicht mehr so viel Zeit, sich um die Kinder der berufstätigen Eltern zu kümmern, wie das früher der Fall war. Das Styling-Camp gibt es heuer zum ersten Mal. Es kostet 289 Euro pro Woche. Die Kinder bekommen ein Mittagessen, zweimal eine Jause und werden auch am Nachmittag betreut. Wie die Idee, das Styling-Camp zu organisieren, entstanden ist, weiß Wanka nicht. Er vermutet aber, dass die Anfrage von den Eltern ausgegangen sei. "Wir haben den Bedarf erkannt", sagt er.

Eltern als "treibende Kraft"

Die Angst, dass die Mädchen in jungen Jahren einem Schönheitswahn verfallen könnten, hat er nicht. Er sagt: "Die Eltern sind die treibende Kraft."

Dass der Bedarf an Feriencamps wächst, bestätigt Edith Rabl von der Arbeiterkammer Oberösterreich. "Es gibt nicht genug Möglichkeiten für Kinderbetreuung in den Sommerferien", sagt sie zu derStandard.at. Gerade am Land sei das oftmals ein Problem. Viele würden deshalb auf Ferienlager ausweichen oder sich die Betreuung sonstwie selber organisieren und hierfür ihre sozialen Netzwerke nutzen. Gerade AlleinerzieherInnen seien mit "massiven Problemen" konfrontiert.

Die Kosten für Ferienlager können seit heuer zumindest von der Steuer abgeschrieben werden. Bisher waren nur die Betreuungskosten absetzbar, seit 2011 kann der Gesamtaufwand inklusive Essen und Unterkunft geltend gemacht werden. Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) hat im Juli den Erlass über die Absetzbarkeit der Kinderbetreuung geändert. Unverändert bleibt der Maximalbetrag: Jährlich können bis zu 2.300 Euro pro Kind für professionelle Betreuung beim Finanzamt geltend gemacht werden.

Wenn schon, dann richtig

In Klosterneuburg ist die Styling-Gruppe mittlerweile am Höhepunkt des Vormittags angelangt. Camp-Leiterin Evan sitzt vor dem Spiegel und zeigt den zwölf Mädchen wie man die Augen smokey, also rauchig macht. "Ihr braucht viel schwarze Farbe und müsst sie gleichmäßig verteilen."

Evan steht dem Styling der Mädchen nicht nur positiv gegenüber. Als sie so alt war wie die Mädchen habe sie sich noch nicht geschminkt, betont sie. "Wenn es meine Töchter wären, würde ich es verbieten." Aber sie versucht das Beste aus der Situation zu machen. "Wenn sich die Mädchen schon schminken, dann sollen sie es richtig machen." Sie empfiehlt dezente Töne und rät von "smokey eyes" im Alltag ab. (Rosa Winkler-Hermaden, derStandard.at, 10.8.2011)