Als ein Besucher den Rektor der Universität mit "Herr Rektor!" ansprach, knurrte dieser, weil er die Anrede "Eure Magnifizenz" erwartet hatte, und meinte: "Nächstens sagen S´ gleich Franz zu mir."

Anreden wie "Magnifizenz" für den Rektor einer Universität, "Spektabilität" für den Dekan oder gar "Honorabilis" für den Prorektor mögen, sieht man von akademischen Festveranstaltungen ab, aus der Mode gekommen sein. Viele andere Anreden und Titel sind hingegen höchst lebendig, vor allem im Land der Titelsucht, Österreich. Rund 900 Titel und Berufsbezeichnungen sind hier durch Rechtsvorschriften geregelt; einen guten Überblick darüber bietet das von MR (Ministerialrat) Dr. Heinz Kasparovsky verfasste, im August 2011 in der vierten, aktualisierten und erweiterten Auflage erschienene Buch "Titel in Österreich".

Gehören Titel zum österreichischen Selbstverständnis?

Der Titel Hofrat hat nur in Österreich überlebt, und zwar einerseits als Amtstitel (Hofrat, Wirklicher Hofrat, Vortragender Hofrat), anderseits als Berufstitel, der vom Bundespräsidenten an verdiente Verwaltungsbeamte verliehen wird. Kennen Sie übrigens den Unterschied zwischen "Hofrat" und "Wirklichem Hofrat"? Laut Lästermäulern arbeitet der Hofrat nichts, der Wirkliche Hofrat wirklich nichts. Wird der Hofrattitel am Ende der aktiven Laufbahn verliehen, bezeichnen ihn Spötter auch als "Grabsteinhofrat".

Charakteristisch für die Einstellung, welche die Österreicher Titeln gegenüber haben, ist eine Wortmeldung des damaligen ÖVP-Klubobmanns Dr. Khol bei der Debatte über die Einführung des Titels "Militärbischof". Seiner Meinung nach gehören Titel zum österreichischen Selbstverständnis. Darüber hinaus seien sie für die Republik eine "äußerst sparsame Sache" und würden die Motivation der Bediensteten und ihre Identifikation mit der Dienststelle erhöhen. - Ob nun mit der Freude an den Titeln das Bedauern über die Abschaffung der Adelstitel 1918 kompensiert wird oder ob zu ihrer Ausbildung ein masochistisches Untertanengefühl der Obrigkeit gegenüber beigetragen hat, wer mag es wissen?

Von Amtstiteln und Berufstiteln

Während anderswo nur die Universitätsprofessoren den Titel "Professor" führen, sind es in Österreich auch (pragmatisierte) Lehrer höherer Schulen - dann handelt es sich um einen Amtstitel - bzw. Personen, die im Bereich der Wissenschaft, auf dem Gebiet der Erwachsenenbildung, der Kunst, der Volkskultur und des Musealen Sammelns tätig sind - dann ist es ein vom Bundespräsidenten verliehener Berufstitel. Und davon wiederum ist die Verwendungsbezeichnung "Professor" für Vertragslehrer, also nicht pragmatisierte Lehrer, zu unterscheiden. Bestellt man im Kaffeehaus gleich zwei Qualitätszeitungen, wird man ohnehin als "Professor" angesprochen...

Nochmals die Lehrer als Beispiel: Der Bundespräsident kann Lehrer, die sich Verdienste um Österreich erworben haben, mit folgenden Berufstiteln auszeichnen: Hofrat, Regierungsrat, Oberstudienrat, Studienrat, Oberschulrat und Schulrat. Der Berufstitel wird nach dem Amtstitel, jedoch vor einem akademischen Grad geführt. Beispiel: Dir. HR Hon.-Prof. Dr. Dr.h.c. H.E.

Der Oberzahnradbahn-Bahnrat von Karl Farkas

Es gibt den Kammersänger, den Bergrat honoris causa, den Militärerzdekan, die Obersonderkindergärtnerin oder den Ersten Oberbereiter. Den vom Kabarettisten Karl Farkas (selbst ein Professor!) vorgeschlagenen Oberzahnradbahn-Bahnrat gibt es (noch) nicht.

Wie sehr dem Österreicher die Ehrfurcht vor Titeln im Blut liegt, zeigt ein Vorfall bei der Fußball-WM 1978 in Cordoba. Als Hans Krankl gegen Deutschland das Siegestor erzielte, rief der Reporter Edi Finger aus: "Tor! Tor! Tor! Tor! Tor! Tor! I werd narrisch! Krankl schießt ein. 3:2 für Österreich! Meine Damen und Herren, wir fallen uns um den Hals, der Kollege Rippel, der Diplomingenieur Posch, wir busseln uns ab." Nicht einmal im Augenblick höchster Ekstase also vergaß er, den Titel zu nennen... (Leser-Kommentar, Herbert Danzer, derStandard.at, 9.8.2011)