Während manche Menschen am Radweg bleiben, zieht es Robert Merl lieber querfeldein in den Gemüsegarten.

Foto: Karl Hackl

Ein Punkt verbindet den anderen: Die Karte für den Sprint-Bewerb der Junioren-WM im polnischen Lebork.

Foto: JWOC 2011

Wien - "Ich brauche keine dicken Muckis und muss nicht posieren, das hilft mir in meinem Sport nichts", sagt Robert Merl. Und hat Recht. Oder auch nicht. Wenn er über Wurzelstöcke, Gräben oder Bachrinnen im Dickicht des Waldes läuft, steht er in keinem Schaufenster. Sprintet er aber 20 Minuten mitten durch eine Stadt und sucht Häuserecken, Stiegen oder Autoeinfahrten, dann wird er sehr wohl gesehen.

Robert Merl ist Orientierungsläufer, das Wort Suchen macht ihn nicht glücklich. "Man muss finden, ansonsten kann man ja nicht gewinnen." Im Wettkampf werden mit Hilfe von Karte und Kompass Kontrollpunkte im Gelände in vorgegebener Reihenfolge angelaufen. Der genaue Standort dieser Punkte (Posten) ist auf einer Karte eingetragen, die die Athleten mithaben. Für Sprintbewerbe geht es in die Stadt, dafür werden 12-15 Minuten Laufzeit angesetzt. Die Mitteldistanz dauert 35-40 Minuten, die Langdistanz bis zu eineinhalb Stunden, beide werden im Gelände absolviert. Gelesen wird grundsätzlich während des Laufens. Technischer Schnick-Schnack wie GPS-Uhren oder Höhenmeteranzeigen würden nichts bringen, meint Merl, und "er ist auch verboten."

Virtuelles Mentaltraining

Erlaubt ist hingegen Computerspielen, für die mentale Präparation. Merl spielt "Catching Features", einen virtuellen Orientierungslauf im Internet: "Ich kann nicht wie die Skandinavier etwa, jeden Tag ins Gelände gehen, darum ist die Simulation ein gutes Training." Quasi ein 3D-Shooter ohne Schießereien.

Der hohe Norden ist die Wiege des Orientierungslaufs, in Finnland findet etwa jedes Jahr die Jukola statt, ein internationaler Staffelbewerb. Mit Stirnlampen gehen 15.000 Läufer in 7-Mann-Staffeln in ein Nachtrennen, das finnische Fernsehen ist vor Ort. Aus Skandinavien kommen auch die größten Konkurrenten, bei der Junioren-WM Anfang Juli in Polen dominierte aber Robert Merl und wurde Weltmeister über die Mitteldistanz, in 25 Minuten und 43 Sekunden. Um so weit zu kommen, saß er freilich nicht nur vor dem Computer: Er laufe in Graz "jeden Tag", entweder an der Mur entlang oder auf der Laufbahn. Zwei bis dreimal pro Woche gehe es mit Kompass und Karte in den Wald. Und statt Hantel schupfen steht Stabilisationstraining auf dem Programm: "Ich will im Wald nicht umknicken." 

Zehn Stunden pro Woche wird nur gelaufen, die Organisationszeit um ins Gelände zu kommen und das mentale Üben nicht eingerechnet. "Für eine optimale Wettkampfvorbereitung braucht man jemanden, der in den Wald geht und Posten platziert." Viel Zeit zum Orientieren hat Robert Merl nicht, am 10. August starten schon die Weltmeisterschaften in der Eliteklasse, ausgetragen in den malerischen französischen West-Alpen in der Ski-Region Savoie-Grand Revard. Für den Junioren WM-Titel gibt es ein bisschen Geld, die Reise nach Frankreich wird zumindest kein Minusgeschäft.

Es geht um Details

"Ein Profileben ist nicht möglich", sagt der 20-Jährige BWL-Student, aber das Bundesheer biete Unterstützung mit dem HSZ (Heeressportzentrum) - auch wenn Merl nach einem Jahr ausgeschieden ist, weil er individueller trainieren wollte. "In Frankreich oder der Schweiz sind führende Orientierungsläufer im Brotberuf Polizisten."

Damit eine Strecke anspruchsvoll ist, muss sie nicht viel bergauf und bergab gehen. Die Details seien wichtig: "In einem weitläufigen Gebiet ist ein Bachende leichter zu finden als ein Loch in dichtem Geäst mit vielen Steinen." Um Posten zu finden, gehe es um Meter, nicht um Zentimeter. Kann man Gegner schlagen, die ortskundig sind? Merl: "Die Einheimischen haben immer Vorteile. Vor großen Wettkämpfen werden Gebiete aber gesperrt. Ganz fair wird es nie sein." (Florian Vetter, derStandard.at, 8.8.2011)