Mutig, unberechenbar und auf allen Weltmeeren zu Hause: Hugo Pratts Kreation Corto Maltese, hier mehrfach in einer Skizze zu "Una ballata del mare salato".

Foto: Museo d'Arte

Corto Maltese, 1887 auf Malta geboren, war ein Abenteurer wie selten einer. Kein Kontinent, keine noch so entlegene Insel, keine Kriegswirren und Schatzsuchen, wo er nicht gewesen wäre und sich durchgeschlagen hätte. Und wen er dabei alles traf! Hemingway etwa oder Hesse, aber auch Göring, als Flieger im Ersten Weltkrieg, oder den Grafen Franz-Joseph Radesky aus dem Burgenland. Erst im Spanischen Bürgerkrieg verlieren sich seine Spuren.

Allerdings war Corto Maltese eine Erfindung des italienischen Autors und Comic-Zeichners Hugo Pratt (1927-1995). Seit den späten Sechzigerjahren füllte dieser zunächst die Seiten einschlägiger Hefte, später ganze Bücher mit den Geschichten um den geheimnisvollen Seemann. Pratt, selbst ein multinationaler Vagabund, wob ein halb historisches, halb mythisches Universum um Maltese: Dank seiner akribisch-fantastischen Storys und seines zwischen Naturalismus und Lyrik angesiedelten Zeichenstils wurde er zum wichtigsten italienischen Graphic-Novel-Künstler. Umberto Eco und Frank Miller (Sin City) verehren ihn, Trickfilme wurden seinen Arbeiten nachempfunden.

Das Museo d'Arte in Lugano widmet ihm zur Zeit eine Ausstellung: Hugo Pratt, i luoghi dell'avventura. Den Schauplätzen der Abenteuer geht die intelligent gestaltete Schau auf mehreren Fährten nach. Skizzen, Aquarelle, Tuschezeichnungen und fertige Comic-Seiten zeigen, wie der Maltese-Schöpfer die reale Welt mit Fiktion füllte (auch Graf Radesky war wie unzählige andere eine Erfindung). Strenge Kompositionen, Panoramen, Halbtotale und Close-ups in vielen Folgen ohne Worte erinnern an Filmabläufe und ergeben spannende Bildbögen, die mit Hyperrealitäten spielen.

Ein zweiter Teil der Ausstellung führt auf den physischen Boden zurück: Der Zürcher Fotograf Marco d'Anna, ein Schüler des Magnum-Profis Renè Burri, hat in den letzten Jahren die Schauplätze fotografiert, an denen Maltese sich seinerzeit durchgeschlagen haben soll. Manche Bilder lehnen sich an strenge Schwarz-Weiß-Arbeiten Pratts an, andere suchen auf eigene, unvorhersehbare Art den Reiz entfernter Regionen. Auf ihre Art sind sie alle Hommagen an Pratt/Maltese, und die vie- len Reisen in unterschiedlichste Weltgegenden sind ja auch für sich genommen bereits ein Reihe von Abenteuern.

(D'Anna und Burri waren übrigens am Sonntag mit dem multimedialen Projekt Corrida auf dem Filmfestival Locarno vertreten. Und eine weitere Ausstellung im Tessin sei genannt: Bis Anfang September zeigen Wim und Donata Wenders Filmstills & Backstage, Fotografien am Rand von Dreharbeiten; in der Villa Ciani in Lugano.)(Michael Freund, DER STANDARD - Printausgabe, 9. August 2011)